Der Nachweis von Mutationen in den Genen Isocitratdehydrogenase (IDH) 1 oder 2 (IDH-Mutation) zählt heute zu den ersten Schritten in der molekularen Diagnostik von diffusen Gliomen. Nach der WHO-Klassifikation 2021 werden IDH-Wildtyp-Gliome immer als Glioblastome definiert. Bei IDH-1- oder IDH-2-Mutationen und dem Verlust der nukleären ATRX-Expression handelt es sich um Astrozytome. Kommt der kombinierte Verlust der Chromosomenarme 1p und 19q (1p/19q-Kodeletion) zur IDH-Mutation dazu, liegt ein Oligodendrogliom vor.
IDH-Mutation als therapeutisches Ziel
In der Pathogenese der Gliome spielen IDH-Mutationen eine wichtige Rolle. Sie sind ein frühes und zentrales Ereignis bei der Gliomentstehung, die zu einer epigenetischen Dysregulation führen und die Ausdifferenzierung von Zellen verhindern. Als frühe Treibermutationen sind sie nicht nur wichtige diagnostische Marker und prognostische Faktoren bei diffusen Gliomen, sondern IDH-Mutationen eignen sich auch als therapeutisches Target. Eine auf IDH-Mutationen abzielende Therapie kann früh der Entgleisung des Zellmetabolismus und der epigenetischen Reprogrammierung entgegenwirken.
So hat sich die medikamentöse IDH-Inhibition bereits bei verschiedenen Krebsformen als effektiv erwiesen: Der IDH-Inhibitor Ivosidenib (Tibsovo®) ist für die Therapie von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie sowie für jene mit Cholangiokarzinomen (CCA) zugelassen. Bei Gliomen liegen positive Phase-III-Daten für den ZNS-gängigen IDH-Inhibitor Vorasidenib vor [1], die aktuell von den Zulassungsbehörden geprüft werden.
Infiltrierende Gliome: OP reicht nicht
Erstes Ziel bei der Therapie von Gliomen ist die chirurgische Entfernung des Tumorgewebes, ohne dabei Gehirnfunktionen zu beeinträchtigen. „Aber diffuse Gliome wachsen weitläufig ins umliegende Hirngewebe und lassen sich meist nur schwer vom gesunden Gewebe abgrenzen“, erläuterte Wick und ergänzte: „Mit einer Operation allein kann man auch niedriggradige Hirntumoren leider nicht heilen. Immer ist das ganze Gehirn betroffen.“ Deshalb folgt auf die Operation meist eine Radio- und Chemotherapie.
In Fällen mit günstigen Prognosefaktoren kann postoperativ zunächst abgewartet werden, bis es zu einem Rezidiv kommt. Entscheidungen zur tumorspezifischen Therapie sollten in allen Phasen des Behandlungswegs interdisziplinär im Tumorboard getroffen werden. Denn die Diagnosestellung und die umfangreichen molekularpathologischen Untersuchungen sind bei diesem Krankheitsbild so komplex, dass sie der Expertise von Neuroradiologen, Neuropathologen, Neurochirurgen, Strahlentherapeuten und Neuroonkologen bedürfen.
Dr. Annette Junker