Die Onkopedia-Leitlinie sieht gemäß der aktuellen Studien- und Zulassungs-lage für unfitte AML-Patient:innen in der ersten Linie die Kombination Azacitidin (AZA) und Venetoclax (VEN; Venclyxto®) vor. Platzbecker bezeichnete die VIALE-A-Studie als Meilenstein in der Versorgung von älteren/unfitten AML-Erkrankten, die für eine intensive Erstlinien-Chemotherapie nicht geeignet sind. Hierin war die Kombination VEN+AZA der alleinigen AZA-Gabe in allen Belangen signifikant überlegen: Das mediane Gesamtüberleben (mOS) betrug unter Kombination 14,7 versus 9,6 Monate (p < 0,001). Eine komplette Remission (CR) wurde bei 36,7 % gegenüber 17,9 % unter alleinigem AZA dokumentiert; bei CR plus CR mit unvollständiger hämatologischer Regeneration (CR/CRi) lauteten die Ergebnisse entsprechend 66,4 % versus 28,3 % (beide p < 0,001) [1].
Mehrere Zyklen VEN+AZA steigern Remissionsrate
„Aber die klare Überlegenheit von VEN+AZA hat auch eine Kehrseite“, erklärte der Hämatologe. Die Neutropenie – auch als febrile Form – sei eine häufige Nebenwirkung. „Dies ist keine unüberwindbare Schwierigkeit, aber Behand-ler:innen und Patient:innen müssen damit rechnen.“ Gemäß Zulassung/Fachinformation wird zunächst AZA über 7 Tage gegeben und VEN über 28 Tage (1 Zyklus). Danach erfolgen ein Blutbild und eine Knochenmark(KM)-Punktion. Bei KM-Blasten < 5 % und einer Neutrophilenzahl > 500/µl sollte die Therapie ebenso wie bei einer residuellen AML fortgesetzt werden, andernfalls nicht. Dazwischen befinde sich eine Grauzone, formulierte der Hämatologe, bei der zwar eine Blasten-Clearance im KM vorhanden ist, aber gleichzeitig eine schwere Neutropenie (Grad 4; ANC < 500/µl; Dauer ≥ 7d) vorliegt. In dem Fall wird der nachfolgende Behandlungszyklus zunächst verzögert, bis die Neutropenie wieder als Grad 1/2 eingestuft wird. „Wir verabreichen oftmals G-CSF*“, berichtete Platzbecker. Damit sei eine gute Wirkung bei hämatologischen Toxizitäten möglich.
Eine Weiterführung der Behandlung, flankiert durch ein gutes Therapiemanagement, sei relevant, da der Anteil der Patient:innen, die eine Remission er-reichen (CR/CRi), mit der Zahl der VEN+AZA-Zyklen wächst. Nach dem ersten Zyklus sind es 40 %, nach dem dritten Zyklus 50 %, am Ende des vierten Zyklus 61 % und nach dem siebten Zyklus 65 % [2].
Reimund Freye