In der Therapie des kleinzelligen Lungenkarzinoms (SCLC) konnten über lange Zeit keinerlei nennenswerte Fortschritte erzielt werden, so Prof. Dr. med. Wolfgang Schütte, Halle-Dölau. Umso erfreulicher sind erste Studienergebnisse aus der klinischen Entwicklung eines neuen Medikaments, das auf den Biomarker DLL-3 zielt und in ersten Studien hoffnungsvolle Ergebnisse lieferte, die von PD Dr. med. Niels Reinmuth, München-Gauting, vorgestellt wurden.
Der Therapiestandard in der Erstlinie ist eine Chemotherapie aus Carbo- oder Cisplatin kombiniert mit Etopisod; in der Zweitlinie kommt meist Topotecan zum Einsatz, erklärte Schütte. Um die Gesamtüberlebensdauer (OS) verlängern zu können, wurde beispielsweise auch eine dosisdichte Kombination von Cyclophosphamid, Doxorubicin und Etoposid erprobt. Dies brachte für die Patienten aber ebenso wenig einen Nutzen wie eine Erhaltungstherapie. „Ob die genannte Kombination über fünf oder über zwölf Zyklen verabreicht wurde, machte keinen Unterschied beim Gesamtüberleben“, bedauerte Schütte.
Über ein möglicherweise vielversprechendes neues Therapieziel informierte Prof. Dr. med. Michael Thomas, Uniklinik Heidelberg. Für das SCLC wurden einige molekulare Veränderungen identifiziert, darunter auch die Überexpression des Proteins DLL3 (Delta-like Ligand 3). DLL3 ist ein Inhibitor des NOTCH-Signalwegs. der eine wichtige Rolle in Zelldifferenzierungsprozessen u. a. auch in der Lunge spielt, aber bei SCLC häufig inaktiviert ist. Ein Grund dafür könnte die Überexpression von DLL3 sein. Diese Vermutung wird dadurch weiter belegt, dass DLL3 bei über 70% der SCLC-Tumoren nicht nur in der Zelle, sondern auch auf der Zelloberfläche exprimiert ist [1]. In weiteren Untersuchungen wurde es als Therapieziel identifiziert, um SCLC-Zellen – im Gegensatz zur Chemotherapie – spezifisch zu erreichen [2].
Biomarker geleitetes Antikörper-Wirkstoff-Konjugat in ersten Tests
Inwieweit diese Überlegungen zu einem therapeutischen Fortschritt führen könnten, sollten erste Untersuchungen zeigen, über die Reinmuth berichtete. Das von AbbVie entwickelte Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Rovalpituzumab Tesirine (Rova-T) befindet sich derzeit in der klinischen Prüfung und ist noch nicht zugelassen.
Um SCLC-Zellen zu zerstören, bindet der Antikörper-Anteil von Rova-T an DLL3 auf den Krebszellen. Nachdem das Konjugat in die Zelle aufgenommen wurde, wird dort der Wirkstoff abgespalten und freigesetzt. Das Wirkprinzip wurde in einer Phase-I-Studie an 74 Patienten mit rezidiviertem SCLC getestet; sie hatten zuvor eine oder zwei Chemotherapien erhalten, davon mindestens eine auf Platin-Basis. Reinmuth berichtet, dass von den bezüglich der Wirksamkeit ausgewerteten Patienten 18% auf die Therapie ansprachen; bei Patienten mit nachgewiesen hoher DLL3-Expression (d. h. auf mindestens 50% der Tumorzellen) betrug die Gesamtansprechrate 35%. Die häufigsten Nebenwirkungen vom Grad 3–4 waren Thrombozytopenien (12%), Pleuraergüsse (8%) und kutane Toxizitäten an der Einstichstelle (8%; [3]).
Rova-T wird aktuell in mehreren Phase-II- und Phase-III-Studien in verschiedenen Therapielinien beim metastasierten, rezidivierten oder therapierefraktären SCLC untersucht [4, 5].
1. Saunders LR et al. Sci Transl Med 2015; 7: 302ra136.
2. Sabari et al. Nat Rev Clin Oncol 2017; 14: 549-61.
3. Rudin CM et al. Lancet Oncol 2017; 18: 42-51.
4. ClinicalTrials.gov No. NCT03033511.
5. ClinicalTrials.gov No. NCT03061812.
Satellitensymposium „Herausforderungen und Perspektiven in der Therapie des kleinzelligen Lungenkarzinoms“ im Rahmen des 59. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) am 16.03.2018 in Dresden, unterstützt von Abbvie Deutschland, Wiesbaden.