Die Chemotherapie ist weiterhin unverzichtbar in der onkologischen Therapie, und damit auch die Prophylaxe einer febrilen Neutropenie (FN) als lebensbedrohlicher Komplikation. Nach der aktuellen S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen Patienten“ [1] ist die FN-Prophylaxe mit Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktoren (G-CSF) nicht nur abhängig von der Art der Zytostatika, sondern auch von individuellen Risikofaktoren, die sich im Verlauf der Behandlung ändern können. Deshalb sollte das FN-Risiko vor jedem Chemotherapie-Zyklus neu ermittelt werden.
Täglich zu gebende G-CSF-Präparate werden Prof. Hartmut Link, Kaiserslautern, zufolge oft nicht so lange verabreicht, bis die Neutrophilen-Zahl wieder im Normalbereich liegt. Lange wirkende Präparate hingegen müssen pro Zyklus nur einmal gegeben werden, und zwar frühestens 24 Stunden, aber nicht später als drei Tage nach Ende der Chemotherapie.
FN-Risiko individuell abschätzen
Die S3-Leitlinie empfiehlt den prophylaktischen Einsatz von G-CSF bei Gabe von Chemotherapien, die mit einem FN-Risiko von ≥ 20% einhergehen [1]. Aber auch bei einem FN-Risiko von 10–20% wird eine Prophylaxe empfohlen, wenn zusätzlich individuelle Risikofaktoren vorliegen, darunter ein Alter > 65 Jahre, niedriger Performancestatus, Komorbiditäten (z. B. COPD, Herzinsuffizienz NYHA III–IV, HIV-Infektion, Autoimmunerkrankung oder deutlich eingeschränkte Nierenfunktion), eine weit fortgeschrittene, symptomatische Tumorerkrankung, frühere Chemotherapien und Laborparameter wie Anämie, Lymphozytopenie (< 700/μl), Hypalbuminämie und Hyperbilirubinämie. Das Risiko ist vor allem dann erhöht, wenn zusätzlich zu einem Chemotherapie-bedingten mittleren FN-Risiko von 10–20% eine Kombination solcher Risikofaktoren vorliegt.
FN erhöht Mortalität
Eine FN ist laut Link definiert als Neutropenie des Grads 3/4 (< 1.000 Neutrophile/μl) und einmalig eine Körpertemperatur von 38,3 °C oder mindestens eine Stunde lang von 38,0 °C. FN gehen mit erhöhter Morbidität und Mortalität einher. Zudem beeinträchtigen Dosisreduktionen und Zyklusverzögerungen aufgrund einer FN den Therapieerfolg. Fällt z. B. die relative Dosisintensität einer Anthrazyklin-basierten Chemotherapie bei Brustkrebs-Patientinnen unter 85%, so ist das Gesamtüberleben signifikant schlechter [2].
Eine G-CSF-Prophylaxe reduziert das Risiko für Infektionen, weil die mit Chemotherapie-assoziierte Neutropenie geringer ausgeprägt und kürzer ist [3]. Das reduziert bei verschiedenen Tumorerkrankungen und auch bei älteren Patienten die Mortalität [4].
Josef Gulden
Symposium „Neue Standards in der Supportivtherapie – S3-Leitlinie Supportivtherapie“ anlässlich des 33. Deutschen Krebskongresses am 23.02.2018 in Berlin, unterstützt von Teva GmbH, Ulm.