Ende 2017 hat die Europäische Kommission den oralen Poly (ADP-Ribose)-Polymerase (PARP)-1/2-Inhibitor Niraparib (Zejula®) als Monotherapie zur Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit einem Rezidiv eines platinsensiblen, gering differenzierten serösen Karzinoms der Ovarien, der Tuben oder mit primärer Peritonealkarzinose, die sich nach einer Platin-basierten Chemotherapie in Remission befinden, zugelassen. Niraparib ist der erste in Europa zugelassene PARP-1/2-Inhibitor, für dessen Anwendung kein Biomarker-Test, etwa eine Testung des BRCA-Mutationsstatus, erforderlich ist.
Die Zulassung beruht auf der internationalen, plazebokontrollierten Phase-III-Studie AGO-OVAR 2.22 (auch ENGOT-OV16 bzw. NOVA): Darin wurden in zwei voneinander unabhängigen Kohorten
553 Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom mit (etwa ein Drittel der Patientinnen) bzw. ohne BRCA-Keimbahnmutation (rund zwei Drittel) eingeschlossen, die auf ihre letzte Platin-basierte Chemotherapie vollständig oder partiell angesprochen hatten [1]. Primärer Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben (PFS), eine radiologische oder klinische Progression wurde durch ein unabhängiges zentrales Gutachtergremium beurteilt.
Niraparib konnte das PFS gegenüber dem Kontrollarm bei Frauen mit und ohne BRCA-Keimbahnmutation signifikant verlängern, so Prof. Sven Mahner, München, der Leiter der Studie in Deutschland für die AGO-Studiengruppe. Das Risiko für Progression oder Tod wurde durch den PARP-Inhibitor bei Patientinnen mit Keimbahnmutation um 73% reduziert (Hazard Ratio 0,27; Abb.), bei Frauen ohne Keimbahnmutation um 55% (HR 0,45). Nach zwei Jahren unter Niraparib waren noch 42% der Frauen mit BRCA-Keimbahnmutation ohne Krankheitsprogression am Leben, hingegen nur 16% derer im Plazeboarm, bei denen ohne Keimbahnmutation waren es 27% versus 12%. Die Patientinnen profitierten unabhängig davon, ob sie zu Studienbeginn partiell oder komplett auf die Chemotherapie angesprochen hatten.
Durch Einführung von Niraparib hat sich die Therapie beim rezidivierten Ovarialkarzinom laut Prof. Felix Hilpert, Hamburg, erheblich verbessert: „Damit steht uns eine zusätzliche Option zur Verfügung, die wir als Erhaltungstherapie nach Ansprechen auf die Chemotherapie einsetzen können.“ Da Niraparib nicht an den Nachweis einer BRCA-Mutation gebunden ist, können nun auch die zahlreichen Patientinnen von der PARP-Inhibition profitieren, für die es bisher keine therapeutischen Optionen mehr über eine „Watch-and-wait“-Strategie hinaus gab. Bei ihnen ist mit der PARP-Inhibition nun eine aktive Kontrolle der Erkrankung unter Beibehaltung der Lebensqualität möglich.
Niraparib wird zu Beginn mit 300 mg einmal täglich dosiert, bei Patientinnen mit einem Körpergewicht von unter 58 kg eventuell mit 200 mg/d. Diese Dosierung war auch die in der NOVA-Studie am häufigsten eingesetzte, die Wirksamkeit blieb mit individuellen Dosisanpassungen erhalten, und die Rate an unerwünschten Ereignissen konnte damit reduziert werden. Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen waren eine Thrombozytopenie (34%), eine Anämie (25%), eine Neutropenie (20%) und eine Hypertonie (8%). Nach individueller Dosisanpassung reduzierte sich die Rate an Grad-3/4-Thrombozytopenie auf 2,4%, auch der Großteil der anderen hämatologischen Nebenwirkungen war durch Dosismodifikationen gut handhabbar. Therapieabbrüche wegen Thrombozytopenie, Neutropenie und Anämie wurden bei 3%, 2% bzw. 1% der Patientinnen registriert.
Bereits präklinische Studien hatten eine Anreicherung von Niraparib im Tumorgewebe verglichen mit Plasma gezeigt, die zu einer dauerhaften PARP-1/2-Inhibition von über 90% und einem persistierenden Anti-Tumor-Effekt führt. „Die Zulassung von Niraparib ist ein wichtiger Schritt vorwärts für Patientinnen mit Ovarialkarzinom. Mit Niraparib haben wir die Möglichkeit, das progressionsfreie Überleben, das nach Platin-basierter Therapie im Laufe der Zeit abnimmt, zu verlängern”, so Mahners Fazit.
Josef Gulden
Literatur
1. Mirza MR et al. N Engl J Med 2016; 375: 2154-64.
Pressekonferenz zur Markteinführung von Zejula® am 28.11.2017 in München, veranstaltet von Tesaro Bio Germany GmbH, München.