Für die etwa 30% der Personen mit Hämophilie A und Hemmkörper-Bildung gegen den substituierten Gerinnungsfaktor VIII steht unabhängig vom Alter ein neuer Therapieansatz zur Verfügung. Mit dem prophylaktisch, einmal wöchentlich subkutan verabreichten Antikörper Emicizumab kann die Blutungsrate signifikant verringert werden.
Der monoklonale Antikörper Emicizumab (Hemlibra®) übernimmt die Funktion von Faktor VIII in der Gerinnungskaskade, indem er die Gerinnungsfaktoren IXa und X bispezifisch bindet. Dadurch wird Faktor X aktiviert, die Gerinnungskaskade kann weiter ablaufen. Gegen Emicizumab selbst wurde in keiner der Phase-III-Studien eine Bildung von Inhibitoren beobachtet. „Damit ist die hauptsächliche Komplikation der bisherigen Therapieoptionen beseitigt“, betonte Prof. Johannes Oldenburg, Bonn.
Emicizumab wurde in zwei randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studien mit Patienten im Alter von über (HAVEN 1) und unter 12 Jahren (HAVEN 2) mit Hämophilie A und Inhibitor-Bildung geprüft [1, 2]. In beiden Studien wurde Emicizumab einmal wöchentlich verabreicht, was aufgrund der langen Eliminationshalbwertszeit von zirka 28 Tagen möglich ist.
In der Studie HAVEN 1 reduzierte sich bei den Patienten unter der Antikörper-Behandlung (n = 35) die jährliche Blutungsrate (ABR: Annualized Bleeding Rate) gegenüber der Vergleichsgruppe (n = 18) ohne Prophylaxe signifikant um 87% (2,9 vs. 23,3 Ereignisse; p < 0,001). Insgesamt wurden bei 22 Patienten mit Prophylaxe (63%) gar keine Blutungen beobachtet, in der Vergleichsgruppe nur bei einem Patienten (6%). Vor Studienbeginn hatten die Patienten Bypass-Medikamente nach Bedarf erhalten.
In eine dritte Gruppe waren 24 Patienten eingeschlossen worden, die vor der Studie eine systematische Prophylaxe mit Bypass-Medikamenten erhalten hatten. Unter der Emicizumab-Therapie fiel auch hier die Blutungsrate signifikant um 79% niedriger aus als unter der vorherigen Bypass-Medikation (p < 0,001). Die Reduktion der Ereignisse war in allen untersuchten Gruppen für alle Blutungsarten – Spontanblutungen, Gelenkblutungen und Blutungen in wiederholt betroffene Gelenke (Zielgelenke) – nachweisbar.
Auch bei Kindern unter 12 Jahren (n = 60) fielen in der Studie HAVEN 2 die Resultate vielversprechend aus: Bei 95% von 19 Kinder in einer Interimsanalyse wurden unter der Emicizumab-Prophylaxe keine behandlungspflichtigen Blutungen erfasst. Ein intraindividueller Vergleich (n = 13) zeigte zudem, dass Emicizumab bei Kindern, die zuvor mit einem Bypass-Medikament (bedarfsabhängig oder prophylaktisch) behandelt worden waren, die Anzahl behandelter Blutungen sich klinisch relevant um 99% verringerte.
Die Ergebnisse in der Studie mit den Kindern lassen sich laut Oldenburg vermutlich durch die altersbedingt noch geringe Inzidenz schwerwiegender Gelenkschäden erklären. Ausgeprägte Gelenkveränderungen, wie sie sich bei vielen erwachsenen Patienten mit Hämophilie A und Inhibitor-Bildung zeigen, seien zudem Trigger und Risikofaktoren für weitere Blutungsereignisse.
In beiden Studien zeigte Emicizumab ein vorteilhaftes Nutzen-Risiko-Profil. Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen, die bei über 10% der Teilnehmer nach subkutaner Anwendung auftraten, zählten Reaktionen an der Einstichstelle, Kopfschmerz und Arthralgie.
Die substanzielle Verringerung der Blutungen durch die Emicizumab-Prophylaxe in der Studie HAVEN 1 war mit einem signifikanten klinisch bedeutsamen Nutzen bezüglich der Lebensqualität und des Gesundheitsstatus der Patienten verbunden, resümierte Oldenburg. Eine thrombotische Mikroangiopathie oder eine Thrombose trat nur bei denjenigen Studienteilnehmern auf, die wegen Durchbruch-Blutungen während der Emicizumab-Prophylaxe hohe kumulative Dosen von aktiviertem Prothrombin-Komplex-Konzentrat (aPCC) erhalten hatten. Deshalb sollte die Gabe von aPCC unter Emicizumab-Behandlung möglichst vermieden werden.
In einer weiteren Studie soll nun geprüft werden, ob eine Emicizumab-Prophylaxe nur alle vier Wochen bei über 12-jährigen Hämophilie-A-Patienten mit und ohne Hemmkörper-Bildung effektiv ist. Erste Auswertungen von Interimsanalysen deuten auf eine klinisch bedeutsame Blutungskontrolle auch bei diesem verlängerten Therapieintervall hin.
1. Oldenburg J et al. N Engl J Med 2017; 377: 809-18.
2. Young G, Oral Communication Session, OC 24.1, Hemorrhagic Disorders: Pediatric Aspects, 10.07.2017, ISTH 2017
Launch-Pressegespräch „Hemlibra® - Eine neue Option für die Therapie der Hämophilie A“ am 21.03.2018 in Frankfurt, veranstaltet von derRoche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen.