Dass die Diagnose seltener Erkrankungen häufig ein langwieriger Prozess ist, darüber waren sich die Referenten bei einem Presseworkshop einig. Als Beispiele dafür wurden die Indikationen Morbus Hunter, M. Gaucher und hereditäres Angioödem behandelt, die alle drei durch sehr unspezifische Symptome charakterisiert sind. Eine Verdachtsdiagnose zu bestätigen sei beispielsweise durch die Möglichkeit von Trockenbluttests deutlich leichter geworden.
Fast die Hälfte der rund 7.000 bekannten seltenen Erkrankungen, von denen in Deutschland rund vier Millionen Menschen betroffen sind [1], beginnen in der Kindheit, und 30% der Kinder mit seltenen Erkrankungen sterben vor dem fünften Geburtstag [2]. Ein Grund dafür kann die Verzögerung der Diagnose und damit auch der Behandlung sein.
HNO-Infekte, Hernien & Kontrakturen: Das könnte Morbus Hunter sein
Für die X-chromosomal-rezessiv vererbte lysosomale Speicherkrankheit Morbus Hunter gibt es Symptomkombinationen, die aufhorchen lassen sollten, so Dr. Christina Lampe, Wiesbaden. Betroffene Kinder zeigen oft rezidivierende Infekte der Atemwege, Hernien und Gelenkkontrakturen [3, 4], Hör- und manchmal auch Entwicklungsstörungen, und die Jungen bleiben häufig hinter der normalen Wachstumskurve zurück.
Morbus Gaucher – oft mit hämatologisch-onkologischen Erkrankungen verwechselt
Ähnlich unspezifisch sind die Symptome des Morbus Gaucher – ebenfalls eine lysosomale Speicherkrankheit – so Lampe. Aufgrund der hämatologischen Symptome werden häufig Fehldiagnosen wie Leukämien, Lymphome und Multiples Myelom gestellt [5]. Durch den genetischen Defekt wird der Abbau von Glykosphingolipiden gehemmt und deren Anreicherung in Makrophagen gefördert. Diese „Gaucher-Zellen“ schwellen an und führen in Knochenmark und Milz zu gestörter Blutbildung und beschleunigtem Abbau von Blutzellen, häufig mit der Folge einer Vergrößerung von Milz oder Leber [6].
HAE: differenzialdiagnostisch von allergischen Reaktionen abgrenzen
Eine andere seltene Erkrankung ist das hereditäre Angioödem (HAE; [7–10]), das in Deutschland im Mittel erst nach neun Jahren diagnostiziert wird. Es wird oft mit allergischen Reaktionen oder anderen Formen der Nesselsucht verwechselt, so Prof. Markus Magerl, Berlin. Im Gegensatz zu den normalerweise papulösen, klar umrissenen, roten und juckenden allergisch bedingten Schwellungen imponieren diejenigen beim HAE als blass, unscharf begrenzt und ohne Juckreiz. Sie sprechen auch nicht auf Antihistaminika, Kortikosteroide und Adrenalin an [11]. Neben der Einschränkung der Lebensqualität können die Schwellungen – etwa im Bereich der Atemwege – auch lebensbedrohlich werden. Laut Magerl sollte man deshalb bei wiederholten Hautschwellungen ohne Quaddeln und Jucken, krampfartigen Bauchschmerzen sowie bei Beginn der Symptome vor dem 20. Lebensjahr an HAE denken.
Die Diagnose muss gar nicht so schwer sein: Bei Verdacht auf HAE sollten laut Magerl die Konzentration von C1-INH und Komplementfaktor C4 gemessen sowie die C1-INH-Aktivität bestimmt werden, um HAE Typ I und II zu diagnostizieren; Typ III ist mithilfe von genetischen Tests zu erkennen. Bei Morbus Hunter und Morbus Gaucher, so Lampe, lässt sich ein Verdacht mit einem einfachen Trockenbluttest erhärten (anzufordern unter www.shire-diagnostikservice.de; Abb.) und mit einer Enzymmessung im Blut und genetischen Untersuchungen bestätigen. Die Behandlung sollte möglichst an einem spezialisierten Zentrum erfolgen.
Josef Gulden
Presseworkshop „Schwieriges Versteckspiel – Seltenen Erkrankungen auf die Schliche kommen“ am 27.02.2018 in Berlin, veranstaltet von Shire Deutschland GmbH, Berlin.