„Die Zukunft ist eigentlich schon lange da“, konstatierte der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft Dr. Johannes Bruns. Er verwies darauf, dass gemäß §2 des SGB V Patienten Anspruch darauf haben, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Ein Problem sei, dass zwar neu zugelassene Arzneimittel den Ärzten der vertragsärztlichen Versorgung unmittelbar zur Verfügung ständen, die als Voraussetzung für den Einsatz notwendigen Tests jedoch nicht. „Im ambulanten Bereich findet derzeit ein Sprung von mindestens sechs Monaten statt“, berichtete Bruns.
Im stationären Bereich stünden weder die neu zugelassenen Arzneimittel dem Arzt unmittelbar finanziert zur Verfügung noch die zugehörigen Tests, so Bruns weiter. „Die Medikamente haben die Krankenhäuser nicht zeitnah, und die Tests müssen sie aus eigener Tasche bezahlen.“
Eine Vorreiterrolle spielt derzeit Baden-Württemberg. Dort sind an den Universitätskliniken Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm vier Zentren für Personalisierte Medizin (ZPM) entstanden. Nach Meinung Bruns sollten Companion-Diagnostic-Leistungen in § 116b SGB V zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung als hochspezialisierte Leistung ergänzt werden.
Lungenkarzinom: Vorzeigetumor der Präzisionsonkologie
„Bei keiner onkologischen Entität hat sich die Therapie so gewandelt wie beim Lungenkarzinom“, konstatierte Prof. Christian Grohé, Berlin. Hier habe sich ein Paradebeispiel für Präzisionsonkologie entwickelt. Neben der immunhistochemischen oder molekularbiologischen Aufarbeitung einer Gewebeprobe kommt heute beim NSCLC v. a. in der sequen-tiellen Therapie die Liquid Biopsy zum Einsatz. Wichtig sei es, den PD-L1-Status mit zugrunde liegenden genetischen Aberrationen zu korrelieren, so Grohé.
Es sei bekannt, dass Patienten mit einer PD-L1-Expression ≥ 50 % besonders von einer Monotherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor profitieren, wenn sie eine KRASG12C-Mutation haben. Während zielgerichtete Therapien bisher erst im metastasierten Stadium eingesetzt wurden, hat die ADAURA-Studie gezeigt, dass schon eine adjuvante Therapie mit einem TKI zu einer signifikanten Verbesserung der Prognose beim EGFR-mutierten NSCLC führen kann [1].
Eine pathologische Tumorkonferenz sollte aus Grohés Sicht immer die multidisziplinäre Tumorkonferenz ergänzen. „Das heißt, wir würden gerne für alle unsere Patienten in allen Stadien für alle therapeutischen Ansätze genetische Untersuchungen machen.“ Große Bedeutung käme auch systematischen Analysen in der Versorgungsrealität und Tumorregisterdaten zu, die Studiendaten ergänzen. Wenn Patienten flächendeckend erfasst werden, wie es in Deutschland durch den Zusammenschluss der großen Lungenkarzinomzentren derzeit geschieht, könne man beispielsweise die Frage klären, welche NSCLC-Patienten mit EGFR-Mutation besonders von der Kombination eines TKI mit dem VEGFR2-Antikörper Ramucirumab gemäß dem RELAY-Protokoll [2] profitieren.
Mascha Pömmerl