RET-Genfusionen, die mit einer onkogenen Transformation assoziiert sind, treten bei 1–2 % der NSCLC-Adenokarzinome auf. Da bei Vorliegen onkogener Treiberalterationen primär zielgerichtet behandelt werden soll, empfehlen Leitlinien, bei Erstdiagnose eines NSCLC vor Beginn der systemischen Erstlinientherapie eine molekulare Testung auf Biomarker durchzuführen [3] – auch auf RET-Alterationen [4].
Bereits im Februar 2021 war Selpercatinib als erster RET-Inhibitor nach Platin-basierter Chemotherapie und/oder Immuntherapie zugelassen worden [1]. Zulassungsrelevant waren seinerzeit Ergebnisse der laufenden Studie LIBRETTO-001, in der bei Patient:innen mit einem fortgeschrittenen RET-fusionspositiven NSCLC nach oder ohne vorherige Platin-basierte Chemotherapie unter dem Einfluss von Selpercatinib eine objektive Gesamtansprechrate (ORR) von 64 % erreicht worden war [5]. Bei der 12. European Lung Cancer Conference (ELCC) 2022 im März dieses Jahres wurde eine aktuelle Analyse der Studie zu therapienaiven Patient:innen vorgestellt, die die Grundlage für die Zulassungserweiterung zur Erstlinientherapie bildete [1].
Hohe Response-Raten, lange Ansprechdauer
Ausgewertet wurden die Daten von 69 therapienaiven mNSCLC-Patient:innen mit nachgewiesener onkogener Fusion des RET-Gens (Datenschnitt 15.06.2021). Nahezu alle (98,6 %) hatten zu Therapiebeginn eine metastasierte Erkrankung; 23,2 % wiesen ZNS-Metastasen auf. Die Betroffenen erhielten zweimal täglich 160 mg Selpercatinib bis zum Progress oder Auftreten inakzeptabler Toxizität. Primärer Endpunkt war die ORR gemäß RECIST, bewertet in einem verblindeten, unabhängigen Review. Es wurde eine ORR von 84,1 % erreicht, mit 5,8 % kompletten (CR) und 78,3 % partiellen Remissionen (PR) bei einer medianen Ansprechdauer (DoR) von 20,2 Monaten. Bei zwei Dritteln der Erkrankten hielt die DoR länger als ein Jahr an, bei 41,6 % sogar mehr als zwei Jahre.
Vorteile auch bei Überlebensparametern
Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 22,0 Monate, bei einer PFS-Rate von 70,6 % nach einem Jahr und 41,6 % nach zwei Jahren. Die Raten für das Gesamtüberleben (OS) nach einem, zwei und drei Jahren lagen bei 92,7 % bzw. 69,3 % bzw. 57,1 % [2]. Bemerkenswert war auch die hohe intrakranielle Ansprechrate von 84,6 % (mit 26,9 % CR) bei denjenigen Patient:innen, die bereits bei Therapiebeginn zerebrale Filiae aufwiesen. Das Verträglichkeitsprofil von Selpercatinib war gut und konsistent mit bisherigen Daten aus LIBRETTO-001 [1].
„Das alles sind sehr, sehr überzeugende Daten für eine Monotherapie mit einer zielgerichteten Substanz“, konstatierte Prof. Grohé. Gleichzeitig seien die guten Ergebnisse die beste Motivation dafür, NSCLC-Patient:innen, die für eine systemische Therapie infrage kommen, vor Behandlungsbeginn auf RET-Fusionen zu testen.
Claudia Schöllmann