In einer Zelle können bis zu 60.000 DNA-Schäden pro Tag auftreten“, erklärte Prof. Sabine Merkelbach-Bruse, Köln. Zellen verfügen über verschiedene DNA-Reparaturmechanismen; einziger fehlerfreier Reparaturmechanismus für DNA-Doppelstrangbrüche ist aber die homologe Rekombinationsreparatur (HRR). Fällt diese aus, können die DNA-Doppelstrangbrüche kaum noch fehlerfrei repariert werden – genau diese Defizienz der Tumorzellen nutzt die Therapie mit PARP-Inhibitoren mit ihrem Therapieprinzip der synthetischen Letalität aus.
„Als Biomarker für die Effektivität der Therapie mit PARP-Inhibitoren werden sowohl die auslösenden Mutationen als auch deren Auswirkungen, also die HRD, herangezogen“, erklärte Merkelbach-Bruse.
Biomarker-Diagnostik: BRCA- und HRD-Testung
Die Testung auf BRCA-Mutationen wird – je nach Indikation – als somatische Testung am Tumorgewebe oder über eine Keimbahndiagnostik am Blut durchgeführt. „Die Testung weiterer Gene des HRR-Signalweges spielt derzeit in Europa noch keine Rolle“, ergänzte Merkelbach-Bruse. Eine HRD kann auch durch den Nachweis ihrer Auswirkungen auf das Genom der Tumorzellen nachgewiesen werden.
So führt eine HRD typischerweise zu bestimmten Aberrationen: den Verlust der Heterozygotie (Loss of Heterozygosity, LOH), einer Imbalance der Allele an den Telomeren (Telomeric Allelic Imbalance, TAI) und zu größeren chromosomalen Umlagerungen (Large-Scale Transitions, LST). LOH, TAI und LST bilden einen Score für die genomische Instabilität der Tumorzellen, den HRD-Score. Der Test kann derzeit nur zentral erfolgen; die dezentrale Testung sei in Entwicklung, so Merkelbach-Bruse.
Erstlinienerhaltung mit Olaparib +/– Bevacizumab
Dass neben dem BRCA-Mutationsstatus eine Bestimmung des HRD-Scores in der Erstlinientherapie fortgeschrittener Ovarialkarzinome sinnvoll sein kann, erläuterte Prof. Bahriye Aktas, Leipzig. Bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom im Tumorstadium III/IV und BRCA-Mutation zeigten die 5-Jahres-Daten der SOLO-1-Studie ein medianes progressionsfreies Überleben (PFS) von 56 Monaten, wenn eine Erhaltungstherapie mit Olaparib gegeben wurde, gegenüber 13,8 Monaten bei alleiniger Platin-basierter Chemotherapie [1]. Es stimme sie optimistisch, dass Patientinnen mit dieser schweren Erkrankung auch noch nach 5 Jahren ohne Rezidiv lebten, so Aktas.
Als einziger PARP-Inhibitor kann Olaparib aber auch zusammen mit Bevacizumab eingesetzt werden. Diese Erhaltungstherapie führte in der PAOLA-1-Studie bei Patientinnen mit einem primären fortgeschrittenen Ovarialkarzinom nach Ansprechen auf die Platin-basierte
Chemotherapie zu einem signifikanten PFS-Vorteil gegenüber alleinigem Beva-cizumab [2]. Besonders ausgeprägt war der Benefit bei HRD-positiven Patientinnen, bei denen Olaparib plus Bevacizumab das mediane PFS auf mehr als drei Jahre versus 17,7 Monate verlängerte (HR 0,33). Bei etwa der Hälfte der Patientinnen mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Ovarialkarzinom kann eine HRD nachgewiesen werden – Betroffene mit BRCA1/2-Mutationen eingeschlossen.
Ein populationsadjustierter indirekter Vergleich von Olaparib-Erhaltungstherapien bei Frauen mit neu diagnostiziertem Ovarialkarzinom im Stadium III/IV und BRCA-Mutationen stützt Olaparib als Monotherapie oder in Kombination mit Bevacizumab [3]
Patientinnen mit einem primären high-grade Ovarialkarzinom im Stadium III oder IV ohne Tumorrest nach der Operation sollten, wenn möglich, eine Erhaltungstherapie mit Bevacizumab erhalten, die bei Nachweis einer HRD oder BRCA-Mutation mit Olaparib ergänzt werden sollte, erklärte Aktas. Wichtig sei, die relevanten Biomarker zu testen und gleich in der Erstlinie die beste Erhaltungstherapie zu geben.
Mascha Pömmerl