„Knochenmetastasen führen in der Regel zu Komplikationen, und diese wiederum haben einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten“, erklärte Prof. Tilman Todenhöfer, Nürtingen, bei einem virtuellen Fachpresse-Workshop im Nachgang der 12. Akademie Knochen und Krebs (AKUK) am 06./07.05.2022 in Berlin.
Skelettbezogene Ereignisse (skeletal related events, SRE), z. B. pathologische Frakturen oder eine Rückenmarkskompression sowie die Notwendigkeit einer Bestrahlung oder einer Operation beinträchtigen aber nicht nur die Lebensqualität der Patienten, sondern belasten auch das Gesundheitssystem durch erhöhte tumorassoziierte Behandlungskosten sowie Kosten für die Prävention weiterer skelettaler Ereignisse.
Aktuelle bei der AKUK vorgestellte Umfragedaten des Vereins der Deutschen Uro-Onkologen e. V. (d-uo) machten jedoch deutlich, dass nur 66,4 % der Patienten mit einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) tatsächlich eine medikamentöse Osteoprotektion erhielten.
Osteoprotektion beim mCRPC verbesserungsbedürftig
„Beim mCRPC wird eine medikamentöse Osteoprotektion aber ausdrücklich in den Leitlinien empfohlen“, kommentierte Prof. Dorothea Weckermann, Augsburg, die Umfrageergebnisse. Gemäß der S3-Leitlinie Prostatakarzinom soll bei Knochenmetastasen im kastrationsresistenten Stadium der RANK-Ligand-Antikörper Denosumab oder das Bisphosphonat Zoledronsäure unter Aufklärung von Nutzen und Schaden angeboten werden [1]. Mehr als zwei Drittel der osteoprotektiv behandelten mCRPC-Patienten erhielten den RANK-Ligand-Inhibitor Denosumab (Xgeva®), ein knappes Drittel ein Bisphosphonat.
Vor dem Hintergrund der Intensivierung der Androgendeprivationstherapie (ADT) durch die Kombination mit einem „new hormonal agent“ (NHA) und immer komplexeren Therapiealgorithmen, die das Gesamtüberleben von Patienten mit
mCRPC signifikant verlängert haben, werde die Bedeutung der Osteoprotektion weiter zunehmen. Todenhöfer: „Längeres Gesamtüberleben bedeutet auch ein längeres Überleben mit Knochenmetastasen.“ Zudem könnten neue Therapien wie z. B. die Kombination von NHA und Radioligandentherapie den Bedarf für Osteoprotektion verstärken. In der ERA-223-Studie führte die Kombination von Abirateron plus Prednison/Prednisolon und Radium-223 bei Patienten mit mCRPC zu mehr Frakturen als die alleinige antihormonelle Therapie [2]. „Wir wissen aber, dass antiresorptive Therapien SRE bei Kombinationstherapien reduzieren“, so Todenhöfer. Wie beim Prostatakarzinom sollte auch beim Urothel- und Nierenzellkarzinom an die Osteoprotektion gedacht werden.
Kaum Osteoprotektion bei Prostatakarzinom-Patienten ohne Metastasen
Beim metastasierten Prostatakarzinom sei zu berücksichtigen, dass ein duales Problem für die Knochengesundheit vorliege, nämlich zum einen die Knochenmetastasen, zum anderen die durch die antihormonellen Therapien induzierte Osteoporose, erklärte Todenhöfer.
„Aber auch im nicht-metastasierten Stadium (M0) haben Prostatakarzinom-Patienten ein erhöhtes Risiko für Osteoporose,“ wie Prof. Christian Doehn, Lübeck, betonte. Jedoch zeigten die Daten der Umfrage von d-uo, dass von den 844 erfassten M0-Patienten mit Prostatakarzinom unter ADT nur 183 eine medikamentöse Osteoprotektion erhielten. „Dazu kommt mit 3,8 % eine dramatisch geringe Zahl an DEXA-Knochendichtemessungen“, berichtete Doehn. Insgesamt werde die medikamentöse Osteoprotektion aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ „suboptimal“ durchgeführt – nämlich nicht zeitgleich mit der ADT und nicht immer mit Kalzium/Vitamin D.
Mascha Pömmerl