Um Krebs von einer tödlichen zumindest in eine chronische, dauerhaft zu behandelnde Erkrankung zu überführen, sind trotz der Fortschritte der vergangenen Jahre in vielen Tumorentitäten vor allem in fortgeschrittenen Stadien weitere innovative Therapieoptionen notwendig.
Immuntherapie wandert in frühe Therapielinien
Die Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren, die den Tumor wieder durch das körpereigene Immunsystem angreifbar machen, ist heute in der Therapie vieler Tumoren ein wichtiges Therapieprinzip. Sie hat in einigen Tumorentitäten zu bisher nie dagewesenem Langzeitüberleben beigetragen. „Die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren macht aber nicht alles andere überflüssig, sondern mit ihr sind viele effektive Kombinationstherapien mit einer Chemotherapie oder zielgerichteten Therapie möglich“, erklärte Prof. Carsten Bokemeyer, Hamburg. Insgesamt rücke die Immunonkologie in frühere Behandlungsstadien und Therapielinien vor.
Verständnis der Tumorbiologie
Die heutige Präzisionsonkologie beruhe auf einer genomischen Analyse des Tumors, die bei vielen Tumorentitäten die Einteilung in molekular definierte Subgruppen erlaubt, so Bokemeyer weiter. Eine zielgerichtete Therapie von adressierbaren Mutationen, die durch molekulardiagnostische Verfahren erfasst werden, ist beim Lungenkarzinom besonders weit fortgeschritten, erfolgt aber heute bei immer mehr Entitäten. So seien derzeit bereits mehr als 100 zielgerichtete Medikamente in der Onkologie zugelassen, erklärte Prof. Peter Lichter, Heidelberg.
Vernetzung ist zentral
Dabei sei die Übertragung von Erkenntnissen zur pathologischen Bedeutung von Signalwegen und Genalterationen von einer Tumorart auf die andere möglich und für den Fortschritt unbedingt notwendig, so Lichter. Dies verdeutlicht die herausragende Rolle der möglichst weltweiten Vernetzung sowie des Sammelns und Teilens der generierten Daten. Die auf wissenschaftlicher Ebene geforderte Vernetzung sei auch auf therapeutischer Ebene unabdingbar, sagte Bokemeyer. Vernetzung sei essentiell, um Innovationen aus den onkologischen Forschungs- und Spitzenzentren in den Versorgungsalltag zu bringen. Außerdem spiele die Integration der Patientenper-spektive in die Onkologie eine wichtige Rolle, um das Überleben von Tumorpatient:innen bei guter Lebensqualität weiter zu verbessern. Zu den zukunftsweisenden Technologien gehörten neben Wirkstoffen, die an DNA-Reparaturmechanismen ansetzen, u. a. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, zellbasierte Therapien und epigenetische Wirkstoffe, so die Meinung der Experten. Lichter und Bokemeyer bezeichneten die Rolle des Mikrobioms bei der Tumorentstehung und -behandlung als zentral und als derzeit nur ansatzweise verstanden. Die Entwicklung von Resistenzen sei ein extrem komplexes, nicht nur auf die genomische Ebene beschränktes Problem und bleibe eine der größten Herausforderungen.
Mascha Pömmerl