Die aTTP ist eine seltene Erkrankung, die sich mit akut lebensbedrohlichen Episoden manifestiert [1]. Die Pathogenese beruht auf einer stark verminderten Enzymaktivität der Protease ADAMTS13 und einem infolgedessen unzureichenden Abbau ultralanger Multimere des Von-Willebrand-Faktors (ULvWF). Wie Prof. Dr. Paul Brinkkötter, Köln, erläuterte, bestehen die Folgen in einer vermehrten Vernetzung von ULvWF mit Thrombozyten, in Thrombopenie und der Bildung von Mikrothromben, die Organ-Ischämie und oft schwere Komplikationen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Nierenversagen verursachen.
Trotz der bisherigen oder aktuellen aTTP-Standardtherapie, d. h. des täglichen Plasmaaustauschs (PEX) plus Immunsuppression (Steroide und/oder Rituximab), beträgt das Sterberisiko laut Brinkkötter 10–20% [1]. Der Bedarf an neuen Therapien sei daher hoch.
Caplacizumab hemmt die Bildung von Mikrothromben
Der humanisierte Anti-vWF-Nanobody Caplacizumab (Cablivi®) hemmt die Bindung von Thrombozyten an vWF (bzw. ULvWF) und damit die Entstehung von Mikrothromben, berichtete Prof. Dr. Jan Menne, Hannover. Im August 2018 wurde Caplacizumab zur Behandlung von Erwachsenen mit einer aTTP-Episode (in Verbindung mit PEX und Immunsuppression) zugelassen [2].
In der Phase-III-Zulassungsstudie HERCULES erhielten 145 aTTP-Patienten randomisiert und doppelblind zusätzlich zur bisherigen Standardtherapie sowie im Verlauf von 30 Tagen nach Beendigung des PEX Caplacizumab oder Placebo [3]. Die Patienten der Caplacizumab-Gruppe erreichten um 55% und damit signifikant häufiger eine Normalisierung der Thrombozyten (primärer Endpunkt Odds Ratio 1,55; 95%-Konfidenzintervall 1,09–2,19; p = 0,01; [3]). Außerdem reduzierte Caplacizumab
• den Anteil der Patienten mit Rezidiven, schwerwiegenden thromboembolischen Ereignissen oder aTTP-bedingtem Tod um 74% (12% vs. 49%; p < 0,001) sowie
• die Anzahl der stationären (um 31%) bzw. auf der Intensivstation verbrachten Tage (um 65%).
Nach Angabe Mennes wurden in Deutschland mittlerweile ca. 50 Patienten mit Caplacizumab behandelt, und bei den meisten wurde innerhalb von drei bis vier Tagen eine anhaltende Normalisierung der Thrombozyten beobachtet. Menne berichtete über einen 43-jährigen Patienten, der in der Anamnese bereits eine schwere aTTP-Episode mit zwei bis drei Monaten stationärer Behandlung und 60 PEX-Prozeduren durchgemacht hatte. Nach erneuter Vorstellung mit akuter aTTP wurde sofort eine Behandlung mit PEX, Steroiden und Caplacizumab begonnen. Innerhalb weniger Tage trat eine Normalisierung der Thrombozyten ein, sodass der Patient nach einer Woche entlassen werden konnte.
Günter Springer
Meet-the-Expert „1 Jahr Caplacizumab: Nanobody® bewährt sich in der Therapie der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura“ im Rahmen des 11. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) am 11.10.2019 in Düsseldorf, veranstaltet von Sanofi Genzyme.