Die große inter- und intra-individuelle Heterogenität des Myeloms ist eine der größten Herausforderungen in der aktuellen Myelom-Forschung, so Prof. Dr. Sebastian Theurich, München. Positiv wirkten sich dagegen v. a. in der rezidivierten Situation die Verfügbarkeit zahlreicher verschiedener Wirkstoffe aus, die eine patientenindividuelle Therapie ermöglichen. Eine wichtige Rolle in der Myelom-Therapie spielen heute Proteasom-Inhibitoren, unter denen es in der Zelle zur Akkumulation nicht mehr benötigter Proteine und in der Folge zur Einleitung der Apoptose kommt [4].
Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination aus dem oralen Proteasom-Inhibitor Ixazomib (Ninlaro®) und Rd (IRd) wurden laut Prof. Dr. Christina Rieger, niedergelassene Onkologin und Hämatologin aus München, in der Phase-III-Studie TOURMALINE-MM1 nachgewiesen: Darin hatten 722 vorbehandelte Erwachsene mit rrMM Ixazomib bzw. Placebo an den Tagen 1, 8 und 15 eines 28-tägigen Behandlungszyklus zusätzlich zu Rd erhalten [1, 2]. Nach median 14,7 Monaten Beobachtungszeit war das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) unter IRd gegenüber Placebo + Rd um rund sechs Monate verlängert worden (Hazard-Ratio 0,74; p = 0,01; [2]).
Ein solcher Trend zur Verlängerung zeigte sich in allen vorab definierten Subgruppen [2]. Vor allem konnte Ixazomib die schlechte Prognose von Patienten mit einer zytogenetischen Hochrisiko-Konstellaton ausgleichen, so Rieger [5]. Außerdem wurde das Ansprechen der Patienten mit zunehmender Therapiedauer tiefer [6].
Komorbiditäten und vorangegangene Toxizitäten berücksichtigen
Wichtige Faktoren bei der Entscheidung für ein bestimmtes Regime sind Rieger zufolge in der Praxis Alter und Komorbiditäten des Patienten sowie vorausgegangene Toxizitäten. Auch die Verträglichkeit der Therapie konnte in der TOURMALINE-MM1-Studie eindrucksvoll belegt werden: So wurden im Vergleich zu Placebo + Rd unter IRd nur wenige zusätzliche Nebenwirkungen registriert. Angesichts des teilweise hohen Alters der Patienten und der damit verbundenen Komorbiditäten gab es verhältnismäßig wenige kardiale, renale oder nicht-infektiöse pulmonale Toxizitäten. Außerdem war der Anteil von Patienten mit peripherer Neuropathie unter Ixazomib kaum höher als im Placeboarm [2].
Real-World-Daten sprechen für Ixazomib
INSIGHT-MM, eine Beobachtungsstudie, sowie Daten eines tschechischen Registers, die auf der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) im Dezember 2018 vorgestellt wurden [3], bestätigen Effektivität und Verträglichkeit von IRd auch im Praxisalltag. Die aktuellen Real-World-Daten kommen aus einer gepoolten Analyse von insgesamt 163 rrMM-Patienten – 50 aus INSIGHT-MM und 113 aus dem tschechischen Register –, wobei 80% der Patienten IRd in der Zweit- bzw. Drittlinie erhielten. Die Wirksamkeit im klinischen Alltag scheint der in randomisierten kontrollierten Studien zu entsprechen: Das Gesamtansprechen lag in der Analyse von Hájek R. et al. bei 74% im Vergleich zu 78% in TOURMALINE-MM1, das mediane progressionsfreie Überleben bei 20,9 vs. 20,6 Monaten [1–3]. Das ist Theurich zufolge v. a. deshalb bemerkenswert, weil die Therapieadhärenz im Praxisalltag gegenüber klinischen Studien wahrscheinlich abweichen dürfte und nicht gut kontrolliert werden kann.
Individuelle Patientenwünsche
Angesichts der zahlreichen Therapieoptionen und der individuellen Patientencharakteristika ist eine enge Kooperation zwischen Klinik und Praxis essentiell, um ineinandergreifende Therapiekonzepte im Sinne einer patientenindividuellen Therapie einsetzen zu können, so Rieger. Im therapeutischen Alltag kommt dabei dem Parameter Zeit bis zur nächsten Therapie erhebliche Bedeutung zu, wobei sich im Vergleich zwischen kontrollierten Studien und therapeutischem Alltag Vorteile für vollständig orale gegenüber injizierbaren Regimes zeigen [7].
Josef Gulden
Praxisworkshop „Mit der oralen Triplett-Therapie: Patientenindividuelle Therapie des Multiplen Myeloms in Klinik und Praxis“ in München am 31.07.2019, veranstaltet von Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG, Berlin.