NSCLC: Neue Therapien bei EGFR-Mutation und ALK-Translokation
Für NSCLC-Patienten mit beiden Mutationstypen stehen jetzt zwei neue orale Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) zur Verfügung. Der Zweitgenerations-TKI Dacomitinib hemmt die EGFR-Tyrosinkinase irreversibel, und Lorlatinib richtet sich gegen die anaplastische Lymphomkinase (ALK). Dacomitinib (Vizimpro®) ist dabei als Monotherapie in der Erstlinie zugelassen, der ALK-Drittgenerations-TKI Lorlatinib (Lorviqua®) für die Sequenztherapie bei ALK-positivem Lungenkarzinom, wenn die Erkrankung nach Vorbehandlung mit bestimmten ALK-TKI progredient ist.
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Bei bis zu 15% aller europäischen Patienten mit NSCLC finden sich Treibermutationen des EGF-Rezeptors. Diese zählen damit zu den häufigsten genetischen Subtypen des NSCLC, so PD Dr. Wilfried Eberhardt vom Westdeutschen Tumorzentrum Essen. Der Pan-HER/EGFR-Kinasehemmer Dacomitinib hat mit EGFR, HER2 und HER4 ein breites Spektrum an Zielmolekülen, die für das Tumorwachstum und die Resistenzentwicklung wesentlich sind. Seiner Zulassung liegen unter anderem die Resultate der randomisierten, offenen Phase-III-Studie ARCHER 1050 zugrunde [1]. In dieser Untersuchung bekamen insgesamt 452 Patienten mit neu diagnostiziertem NSCLC und fortgeschrittener Erkrankung aus Asien und Europa, die eine aktivierende EGFR-Mutation aufwiesen, als Erstlinientherapie Dacomitinib (45 mg oral, zweimal täglich, n = 227) oder den Erstgenerations-TKI Gefitinib (250 mg oral, zweimal täglich, n = 225). Als primärer Endpunkt war das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) definiert, sekundäre Endpunkte waren unter anderem das PFS in der Prüfarzt-Beurteilung, die Gesamtansprechrate (ORR), die Ansprechdauer (DOR), das Gesamtüberleben (OS) sowie die Einschätzung durch die Patienten (PRO).
Die Ergebnisse: Die Wahrscheinlichkeit, nach zwei Jahren progressionsfrei am Leben zu sein, betrug unter Dacomitinib 30,6%, unter Gefitinib nur 9,6%, die mediane Dauer des PFS war dabei mit 14,7 Monaten vs. 9,2 Monaten durch Dacomitinib um 5,5 Monate verlängert. Dies entsprach bei einer Hazard Ratio von 0,59 einer Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um 41%, so Gerhardt. Dieser Vorteil für den Zweitgenerations-TKI war sowohl statistisch signifikant als auch klinisch relevant und zudem „praktisch in allen analysierten Subgruppen nachweisbar“, wie er ergänzte. Die PFS-Analyse der ITT-Population durch die Prüfärzte bestätigte dies mit einem medianen PFS von 16,6 vs.11,0 Monaten (HR 0,62). Gerhardt wies zudem darauf hin, dass der PFS-Vorteil sich sowohl bei Exon-19-Deletion als auch bei L858R-Mutation zeigte. Auch bei der DOR schnitt Dacomitinib mit median 14,8 vs. 8,3 Monaten signifikant besser ab.
Die Nebenwirkungen waren unter beiden Substanzen mit Diarrhö, Paronychie und Hautveränderungen TKI-typisch und „absolut moderat“, so Gerhardt. Dabei zeigten sich unter Dacomitinib etwas mehr Diarrhö und Hautreaktionen und unter Gefitinib eine höhere Lebertoxizität. Insgesamt ergaben sich aber keine neuen Signale beim Nebenwirkungsprofil von Dacomitinib. Als vorteilhaft erwies sich auch die Möglichkeit, dessen Dosis bei Nebenwirkungen ohne langfristigen Wirkverlust zu reduzieren. Gleiches gelte für die Verbesserung der globalen Lebensqualität (im EORTC-QLQ-C39- und im LC13-Fragebogen) in der Patientenbeurteilung. Eine aktualisierte Analyse des Gesamtüberlebens (OS) ergab zudem mit 34,1 vs. 26,8 Monaten eine signifikante Verbesserung des OS [2]. In der Summe qualifiziert dies Dacomitinib für den Essener Onkologen „als neue, hocheffektive Therapieoption für Patienten mit einer nachgewiesenen aktivierenden EGFR-Mutation“.
Lorlatinib kann Resistenzen beim ALK-positiven NSCLC durchbrechen
Etwa 3–7% aller NSCLC sind ALK-positiv (ALK+). Allfällige Resistenzentwicklungen mit Progression sind unter einer Sequenztherapie mit ALK-TKI eine besondere therapeutische Herausforderung, wie Prof. Martin Thomas, Thoraxklinik der Universität Heidelberg, betonte. Weiter erschwert wird die Therapie durch verschiedene Varianten der gebildeten ALK-Fusionsproteine. Eine besonders ungünstige Variante ist die G1202R-Mutation, die häufig mit einer schwer zu behandelnden ZNS-Beteiligung einhergeht. Beim ALK+ NSCLC ist daher eine sequenzielle Abfolge verschiedener ALK-TKI die Regel, wobei oft mit der Erstgenerationssubstanz Crizotinib begonnen wird und sich bei Progress eine Therapie mit Zweitgenerations-ALK-TKI anschließt.
Lorlatinib, der erste ALK/ROS-1-TKI der dritten Generation eröffnet nun nach Versagen etwa von Alectinib eine weitere Option für diese intensiv vorbehandelten Patienten. Nach In-vitro-Daten wird die Wirksamkeit von Lorlatinib deutlich geringer durch den Mutationsstatus beeinträchtigt als die Effektivität von Crizotinib oder von Zweitgenerations-ALK-TKI. Das ließ sich auch in einer klinischen Phase-I/II-Studie bestätigen [3]: Hier sprachen von 139 Patienten mit einem unter einem ALK-TKI progredienten ALK+ NSCLC immerhin 42,9% und nach Vorbehandlung mit mindestens zwei ALK-TKI noch 39,6% auf Lorlatinib an. Intrakraniell wirksam war Lorlatinib in dieser Studie bei 66,7% bzw. 52,1% der Patienten mit Hirnmetastasen.
Neben der breiten Wirksamkeit bei Resistenzmutationen beeindruckt Lorlatinib durch das gut handhabbare Sicherheits- und Nebenwirkungsprofil sowie durch die gute Liquor-Penetration. Das ist ein wichtiger Faktor bei Patienten mit Hirnmetastasen, so Thomas. Nach seiner Hoffnung wird die Substanz für bestimmte ALK-Fusionsvarianten künftig auch als neue Erstlinienoption infrage kommen.
Launch-Pressekonferenz „Zusätzliche Perspektiven durch neue zielgerichtete Therapien beim NSCLC – Dacomitinib und Lorlatinib erweitern Möglichkeiten der Sequenztherapie“ am 19.06.2019 in Frankfurt am Main, veranstaltet von Pfizer Oncology.