Maligne Erkrankungen sind häufig mit Schmerzen assoziiert. Ziel einer effektiven Therapie sollte daher die Freiheit von diesen Tumorschmerzen sein. Entgegen der landläufigen Meinung, dass starke Opioide alle vergleichbar wirken und daher äquivalent eingesetzt werden können, belegen aktuelle Real-World-Daten jedoch große Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen.
Um eine auf die individuellen Bedürfnisse der Schmerzpatienten abgestimmte Therapie zu ermöglichen, hat die WHO ein Stufenschema für die pharmakologische Behandlung entwickelt, das 2019 revidiert wurde und nun stärker patientenzentriert ist. Patienten mit Tumorschmerzen werden demnach als Basistherapie zusätzlich mit nicht-steroidalen Antirheumatika oder Muskelrelaxanzien mit Nicht-Opioid-Analgetika behandelt. Diese können mit Adjuvantien kombiniert werden. Bei stärkeren Schmerzen werden die Nicht-Opioid-Analgetika durch schwache Opioide ausgetauscht. Greifen diese Maßnahmen nicht oder sind die Schmerzen zu stark, wird auf starke Opioide wie beispielsweise Morphin, Oxycodon oder Hydromorphon zurückgegriffen. Ergebnisse klinischer Studien gehen davon aus, dass es in Hinblick auf die Wirkung keinen Unterschied macht, welcher der Wirkstoffe letztendlich verabreicht wird.
Real-World-Daten belegen Überlegenheit von Hydromorphon
Aktuelle Auswertungen des DGS-PraxisRegisters Schmerz belegen nun jedoch, dass dem nicht so ist, so PD Dr. med. Michael Überall, Nürnberg. Knapp 18.000 Patienten mit krebsassoziierten Schmerzen wurden in die Analyse eingeschlossen. Fast alle (94%) wurden mit starken Opioiden behandelt. Es zeigte sich, dass der bisherige Goldstandard Morphin lediglich bei 22,3% der Betroffenen die gewünschte Wirkung zeigte. Hingegen profitierten 51,0% der Patienten von retardiertem Hydromorphon und sogar 66,0% von der lang retardierten Formulierung (z. B. Hydromorphon Aristo® long). Damit erwies sich Hydromorphon als signifikant wirksamer als die anderen Opioide, so der Experte.
Eine kontinuierliche Analgesie über 24 Stunden bei einmal täglicher Einnahme zeigte sich auch hinsichtlich der Durchbruchschmerz-Episoden und „End-of-Dose Failures“ überlegen. Schmerzepisoden beim Nachlassen der Wirkung traten bei 31,4% der Morphin-Patienten und 26,2% der mit Oxycodon therapierten Betroffenen auf, jedoch lediglich bei 7,4% der Tumorschmerz-Patienten mit 24-Stunden-Hydromorphon-Präparaten. Die pharmakologische Abdeckung über den ganzen Tag hinweg könnte hier grundlegend sein. „Die Daten zeigen eindrucksvoll, dass es bei Weitem nicht egal ist, welches Opioid verabreicht wird“, fasste Überall zusammen. „Daher sollte die Therapieentscheidung immer individuell erfolgen.“
Leoni Burggraf