Auf der Basis aktueller Erkenntnisse hat die DGHO ihre Onkopedia-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der CLL (Chronisch lymphatische Leukämie) überarbeitet: Neu sind eine umfassende genetische Untersuchung bei allen Patienten – auch außerhalb von klinischen Studien – sowie die Struktur der Erstlinientherapie [1].
Die Therapie der CLL, der häufigsten Leukämie bei Erwachsenen, befindet sich im Wandel. Nachdem bereits im vergangenen Jahr die Guidelines des iwCLL (International Workshop on Chronic Lymphocytic Leukemia) aktualisiert worden sind, hat nun auch die DGHO ihre Onkopedia-Leitlinie überabreitet. Wie Prof. Dr. Stephan Stilgenbauer vom Universitätsklinikum des Saarlandes erläuterte, ist jetzt eine umfassendere Krankheitscharakterisierung insbesondere auf genetischer Ebene auch für die allgemeine Praxis (nicht nur in klinischen Studien) als verbindliche Empfehlung aufgenommen worden. Bei allen Patienten sollen demnach vor Therapiebeginn eine FISH-Diagnostik für chromosomale Deletionen (besonders die 17p-Deletion) und eine TP53-Mutationsanalyse durchgeführt sowie auch der IGHV-Mutationsstatus bestimmt werden [1]. Diese Informationen sind die Voraussetzung für die Therapieentscheidung in der Erstlinie.
Neue Studien mit Ibrutinib
Wie Stilgenbauer weiter ausführte, haben neue Studien die Wirksamkeit des Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitors Ibrutinib (Imbruvica®) im Vergleich zu bisherigen Therapiestandards wie der Immunchemotherapie untersucht. Der Experte verwies auf die kürzlich publizierte ALLIANCE-Studie, in der ältere Patienten entweder mit Ibrutinib alleine, einer Ibrutinib-Rituximab-Kombination oder einer Bendamustin-Rituximab-Kombination behandelt worden waren. Das Ergebnis: Hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens zeigte sich ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Unterschied zugunsten der beiden Ibrutinib-Arme. Dabei brachte die Hinzunahme von Rituximab keinen zusätzlichen Benefit im Vergleich zu Ibrutinib alleine [2].
Interessant ist auch das Resultat der Subgruppen-Analyse mit Blick auf den IGHV-Mutationsstatus: „Ibrutinib war auch bei Patienten mit unmutiertem IGHV-Status nicht unterlegen“, so Stilgenbauer [2]. Die Substanz zeigte in der ALLIANCE-Studie das bekannte Nebenwirkungsprofil. „Ibrutinib war gut tolerabel. Es gibt einen gewissen Anteil von Patienten mit Blutungsereignissen und Vorhofflimmern, auf die wir natürlich achten müssen“, resümierte Stilgenbauer.
In zwei weiteren aktuellen Studien erwiesen sich darüber hinaus bei älteren Patienten Ibrutinib-Obinutuzumab gegenüber Chlorambucil-Obinutuzumab sowie bei jüngeren Patienten Ibrutinib-Rituximab gegenüber Fludarabin-Cyclophosphamid-Rituximab als klar überlegen [3, 4]. Diese Ibrutinib-Kombinationen sind aktuell noch nicht zugelassen.
Ibrutinib in der Erstlinie
Die neue Leitlinie spiegelt die überzeugenden Studienergebnisse wider. Wie Stilgenbauer erläuterte, sind für die Therapieentscheidung in der Erstlinie das Stadium und die Aktivität der Erkrankung, die Fitness der Patienten, der 17p-Deletions-/TP53-Mutationsstatus und bei Wildtyp-Patienten auch der IGHV-Mutationsstatus zu berücksichtigen [1]. Ibrutinib wird in der neuen Leitlinie für alle therapiebedürftigen Patienten in der Erstlinie empfohlen. Zusätzlich empfiehlt die Leitlinie in Abhängigkeit von den genannten Parametern therapeutische Alternativen, die gleichwertig sind bzw. nur gegeben werden sollten, wenn Ibrutinib aufgrund von Kontraindikationen nicht infrage kommt [1].
Bedeutung für die Praxis
Prof. Dr. Arthur Gerl, niedergelassener Onkologe in München, hob hervor, dass Ibrutinib den Patienten auch während der Therapie einen aktiven Lebensstil erlaubt. Dies ist in seiner Erfahrung für noch im Berufsleben stehende Patienten ebenso essentiell wie etwa für ältere alleinstehende Patienten, die niemanden haben, der sich um sie kümmern könnte. Er sieht bei enger Patientenführung keine Probleme mit der Adhärenz. Ab sofort ist mit den neuen Filmtabletten nur noch eine Tablette täglich (anstatt bislang drei Kapseln) einzunehmen.
Anne Benckendorff