Wenn zwei Gene miteinander fusionieren, können Onkogene entstehen, die eine aberrante Expression von Proteinen zur Folge hat. So führen Fusionen der neurotrophen Tyrosin-Rezeptor-Kinase- (NTRK)-Gene zur Expression von Tropomyosin-Rezeptor-Kinasen(TRK)-Fusionsproteinen. Solche NTRK-Genfusionen gelten als starke onkogene Treiber [1] und können bei vielen verschiedenen Tumorentitäten mit ganz unterschiedlicher Prävalenz auftreten.
„Bei drei Tumorarten ist eine NTRK-Fusion extrem typisch – beim Mamma-analogen sekretorischen Karzinom, bei sekretorischen Mammakarzinomen und kongenitalen infantilen Fibrosarkomen“, erläutert Prof. Gunnar Folprecht, Dresden. „Prinzipiell sind NTRK-Genfusionen bei allen Tumoren möglich, z. B. bei Schilddrüsenkarzinomen und Gliomen, seltener z. B. beim Mamma-, Lungen- und Pankreaskarzinom und bei Sarkomen“.
ROS1-Alterationen als onkogene Treiber
Eine seltene, aber wichtige Alteration beim NSCLC sind ROS1-Translokationen. Auch bei ROS1-Fusionsproteinen kommt es zu einer konstitutiven, Liganden-unabhängigen Aktivierung der Kinasedomäne, wodurch verschiedene onkogene Signalwege dauerhaft aktiviert werden. ROS1-Genfusionen seien mit 1–2 % der Patienten mit NSCLC eher selten und vor allem bei jüngeren Patienten zu finden sowie bei Nie- oder Ex-Rauchern, so Prof. Martin Reck, Großhansdorf. „Die ROS1-Translokation ist eine dominante Alteration; bei diesen NSCLC-Patienten findet man keine andere therapierelevante Alteration“, erklärte Reck. 20–40 % der ROS1-positiven NSCLC-Patienten haben bereits bei Diagnosestellung ZNS-Metastasen [2-5]. Das ZNS ist bei 47 % der Patienten der erste und einzige Progressionsort [2]. „Da ZNS-Metastasen so häufig sind, brauchen wir eine Substanz, die die Blut-Hirn-Schranke überwindet und im Gehirn bleibt und nicht wieder heraus transportiert wird“, beschrieb Reck die therapeutische Herausforderung. Unter bisherigen Therapien stieg die Inzidenz der ZNS-Metastasierung mit der Zeit stark an [2].
Anhaltende Wirksamkeit auch bei ZNS-Metastasen
Entscheidend für die Zulassung von Entrectinib waren die Ergebnisse zweier integrierter Analysen zu den Studien STARTRK-2 (Phase II) und STARTRK-1 und ALKA-372-001 (jeweils Phase I). Mehr als zwei Drittel aller Patienten (67,1 %) mit fortgeschrittenem ROS1-Fusions-positivem NSCLC (n = 161) sprachen auf En-trectinib an, die mediane Dauer des Ansprechens (mDoR) betrug 16,5 Monate [6]. Bei den 74 Patienten mit 14 unterschiedlichen, nicht-resezierbaren oder metastasierten soliden Tumoren mit NTRK-Genfusion wurde eine Gesamtansprechrate (ORR) von 63,5 % beobachtet, wobei die ORR bei Patienten mit und ohne ZNS-Metastasen ähnlich war, wie Folprecht betonte [7]. Das mediane Gesamtüberleben lag bei fast 2 Jahren; die mDoR bei 12,9 Monaten [6]. Von den pädiatrischen Patienten sprachen 86 % auf Entrectinib an. Das mediane PFS lag bei 17,5 Monaten [8]. „Bei den 24 Patienten mit ZNS-Metastasen zu Studienbeginn zeigte sich bei 79,2 % ein intrakranielles Ansprechen, 55 % sprachen über 12 Monate auf Entrectinib an“, berichtete Reck, der darauf verwies, dass beim ROS1-positiven NSCLC häufig rasch progrediente, disseminierte ZNS-Metastasen aufträten, die schwierig zu therapieren seien. Entrectinib überwindet die Blut-Hirn-Schranke und wird nicht aktiv aus dem ZNS transportiert [9].
Folprecht und Reck bezeichneten En-trectinib als gut verträglich, was bei einer Dauertherapie im palliativen Setting besonders wichtig sei. Die meisten Nebenwirkungen waren leicht bis moderat und reversibel, Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen sehr selten [6]. Auffällig sei eine Gewichtszunahme der Patienten. Diese könne sich bei Tumorkachexie günstig auswirken, so Reck. Nebenwirkungen könne man gut mit Dosisreduktion begegnen, die bei ca. einem Drittel der Patienten notwendig seien.
Molekulare Testung als Therapievoraussetzung
Für den Einsatz von Entrectinib ist die positive Testung auf die entsprechenden molekulargenetischen Marker Voraussetzung, ein weiterer Schritt zur Präzisionsmedizin in der Onkologie, wie Prof. Wilko Weichert, München, darlegte. „Der Nachweis von NTRK-Genfusionen über alle soliden Tumoren hinweg und von ROS1-Genfusionen bei NSCLC ist die einzige Möglichkeit, die für eine Behandlung mit Entrectinib geeigneten Patienten zu identifizieren“, appellierte Weichert.
Immunhistochemie – zuverlässig und kostengünstig
Die kostengünstige Immunhistochemie (IHC) könne als Surrogat-Test auf NTRK-Genfusionen herangezogen werden, vor allem bei Tumorentitäten mit einer niedrigen NTRK-Frequenz, wie Weichert erklärte. So würden TRK-Fusionsproteine zuverlässig detektiert, gefolgt von einer Bestätigung durch NGS.
Mascha Pömmerl