Es besteht ein „unmet medical need" bei der CML, besonders in der Drittlinie“, erklärte Prof. Susanne Saußele, Universitätsmedizin Mannheim, da etwa jede:r zehnte CML-Betroffene primäre oder sekundäre Therapieresistenzen gegenüber TKI aufweise. Aktuellen Analysen zufolge benötigen 22 % der CML-Erkrankten nach dem ersten TKI noch einen zweiten, 10 % sogar einen dritten, da sie auf zuvor eingesetzte Therapien nicht ausreichend ansprechen oder sie nicht vertragen [4, 5].
Einzigartiger Wirkmechanismus
Mit Asciminib (Scemblix®) sei unabhängig vom ATP-bindenden Wirkmechanismus üblicher TKI eine zweite Möglichkeit gefunden worden, das onkogen sehr aktive Protein BCR-ABL1 zu inhibieren, erklärte Prof. Tim M. Brümmendorf, Aachen. Der besondere Wirkmechanismus des STAMP-Inhibitors – die allosterische Bindung in der Myristat-Tasche – sei bisher einzigartig.
ASCEMBL-Studie: Überlegenheit von Asciminib versus Bosutinib
Zulassungsrelevant war die offene, randomisierte Phase-III-Studie ASCEMBL. Darin waren die Wirksamkeit und Therapiesicherheit von Asciminib gegenüber dem TKI Bosutinib bei 233 Patient:innen mit Ph+ CML-CP evaluiert worden, die im Vorfeld bereits mindestens zwei TKI erhalten hatten. Die Erkrankten bekamen nach 2:1-Randomisierung entweder zweimal täglich 40 mg Asciminib bzw. einmal täglich 500 mg Bosutinib. Nach 24 Wochen hatten 25,5 % der Erkrankten unter Asciminib und 13,2 % unter Bosutinib den primären Endpunkt eines „guten molekularen Ansprechens“ (MMR; ≤ 0,1 % Kopien des BCR-ABL1-Gens) erreicht – ein signifikanter Unterschied (p = 0,029) [6].
Unterschiede zwischen Asciminib und Bosutinib werden über die Zeit größer
Die beim EHA-Kongress 2022 in Wien präsentierten 96-Wochen-Daten der Studie untermauerten das Ergebnis: Bei 37,6 % der Asciminib- versus 15,8 % der Bosutinib-Patient:innen wurde eine MMR dokumentiert (p = 0,001), gleichbedeutend mit einem weiteren Anstieg unter Asciminib um 12,1 % gegenüber der 24-Wochen-Analyse, insbesondere aber mit einer weiteren Zunahme des Unterschieds zwischen den Behandlungsgruppen um knapp 10 % [7]. „Das Delta wird über die Zeit immer größer“, erklärte Brümmendorf.
Zudem zeigten sich anhaltende Vorteile zugunsten des STAMP-Inhibitors im Hinblick auf BCR-ABL1-Transkriptspiegel ≤ 1 % (45,1 % vs. 19,4 %) und hinsichtlich des Erreichens tiefer Remissionen (MR4a: 17,2 % vs. 10,5 %; MR4,5b: 10,8 % vs. 5,3 %) [7]. „Asciminib war zu allen Zeitpunkten und in allen Remissionstiefen überlegen“, so Brümmendorf.
Ein weiterer Vorteil: Die Teil-nehmer:innen im Asciminib-Arm blieben deutlich länger unter der Behandlung als diejenigen im Bosutinib-Arm (23,7 vs. 7,0 Monate) und brachen die Therapie seltener aufgrund von Nebenwirkungen ab (7,7 % vs. 26,3 %) [7]. Dazu Brümmendorf: „Wenn Toxizität auftrat, dann meist früh und geringgradig. Das ist ein großer Fortschritt in dieser Situation.“
Wenige Nebenwirkungen, höhere Lebensqualität
Dass der STAMP-Inhibitor ein so günstiges Nebenwirkungsspektrum aufweist, liege laut Prof. Andreas Hochhaus, Jena, vor allem daran, dass Asciminib als „reiner ABL-Inhibitor“ besonders spezifisch wirkt und kaum Off-Target-Effekte aufweist. „Das schlägt sich auch in der Lebensqualität nieder, die in allen Aspekten verbessert wurde“, so Hochhaus.
Claudia Schöllmann