Komplementärmedizinische Maßnahmen werden ergänzend zur onkologischen Standardtherapie eingesetzt. An der Frauenklinik der TU München seien sie fester Bestandteil einer onkologischen Therapie, erklärte PD Dr. Daniela Paepke, München. Der Bedarf an komplementären Therapien in Deutschland sei hoch, berichtete sie. Als Bestandteil der integrativen Onkologie sind sie evidenzbasiert und werden eingesetzt, um Nebenwirkungen der onkologischen Systemtherapie zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Dadurch erhöhen sie auch die Therapieadhärenz der Betroffenen.
Häufig und belastend – Fatigue
Ein sehr häufiges Symptom bei Tumorpatient:innen ist Fatigue. Während oder kurz nach einer Krebstherapie leiden bis zu 90 % unter Fatiguebeschwerden, und nach der Akuttherapie sind 20–50 % der Erkrankten von einer chronischen Fatigue betroffen, wie Paepke darstellte. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die anhaltende körperliche und geistige Erschöpfung sei enorm.
Zur Behandlung der chronischen Müdigkeit sowie Kraft- und Antriebslosigkeit empfehlen die S3-Leitlinie „Komplemen-tärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ [1] und die Kommission Mamma der AGO [2] vor allem körperliches Training und Sport (Soll-Empfehlung). „Hier müssen wir aber darauf achten, dass die Betroffenen die empfohlene Bewegung, meist eine Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining, in ihrem Alltag auch schaffen können“, forderte Paepke.
Aktuelle Evidenz zur Verbesserung von Lebensqualität und Fatigue durch Misteltherapie
Auch eine Misteltherapie kann zur Linderung der Fatigue eingesetzt werden. Die subkutane Gabe von Mistelgesamtextrakt (Viscum album L.) wie Iscador zur Verbesserung der Lebensqualität bei Patient:innen mit soliden Tumoren erhält in der S3-Leitlinie Komplementärmedizin eine Kann-Empfehlung. Zum therapeutischen Einsatz mit dem Ziel einer Überlebensverlängerung gibt die S3-Leitlinie aufgrund der nicht ausreichenden Datenlage keine Empfehlung für oder gegen eine Verordnung von Mistelpräparaten ab. Die Kommission Mamma der AGO vergibt eine +/- Empfehlung für Mistellektine zur Linderung therapieassoziierter Nebenwirkungen.
Verbesserung der Lebensqualität
Eine aktuelle Metaanalyse von 26 Publikationen zur Lebensqualität von mit Mistelextrakt behandelten onkologischen Patient:innen zeigte bei Erkrankten unter einer Misteltherapie eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität gegenüber der Kontrollgruppe; der Effekt war bei jüngeren Patient:innen mit längerer Behandlungsdauer stärker ausgeprägt [3].
Fatigue-lindernde Wirkung
Eine weitere aktuelle Metaanalyse von zwölf randomisierten klinischen Studien (RCT) und sieben nicht randomisierten Interventionsstudien (NRIS) untersuchte den Effekt von Mistelextrakt auf die Fatigue von Tumorpatient:innen [4].
Die Metaanalyse der RCT ergab eine durchschnittliche Fatigue-lindernde Wirkung der Mistelextrakte (durchschnittlicher standardisierter Unterschied, SMD) von –0,48 (95% KI –0,82 bis –0,14; p = 0,006). Dies sei ein moderater Effekt und entspreche in etwa dem, der durch körperliches Training zu erzielen sei, erklärte Paepke und ergänzte: „Meiner Erfahrung nach haben Sport und Mistel bei Fatigue einen additiven Effekt.“
Außerdem verwies sie darauf, dass In-vitro-Daten keine Interaktionen zwischen dem Tamoxifen-Metaboliten (E/Z)-Endoxifen und CYP3A4/5 sowie CYP2D6 gezeigt hatten [5], was auf die Kombinierbarkeit von Tamoxifen und Mistelextrakten hindeute.
Mascha Pömmerl