Im klinischen Alltag werden Serum-Natriumwerte bei Tumorpatienten nicht routinemäßig bestimmt und Hyponatriämien (HN) häufig gar nicht oder nicht ausreichend behandelt [1]. Dabei ist die HN bei vielen Tumoren prognostisch relevant und signifikant mit einem kürzeren Überleben assoziiert.
„Die Hyponatriämie ist die häufigste Elektrolytstörung bei hospitalisierten Patienten“, berichtete Prof. Christian Grohé, Chefarzt an der Evangelischen Lungenklinik Berlin. Eine HN liegt vor bei einem Serum-Natriumspiegel von < 136 mmol/l. Sinkt der Wert unter 125 mmol/l, liegt eine schwere HN vor. Die Symptome sind durch den Schweregrad und die Entstehungsgeschwindigkeit der HN bestimmt, sie reichen von Abgeschlagenheit, Apathie und Gedächtnisstörungen bis zu Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel und Desorientiertheit. Eine akute schwere HN mit Krampfanfällen, Ateminsuffizienz und Koma ist lebensbedrohlich und stellt einen medizinischen Notfall dar.
Entstehung der Hyponatriämie
Die Ätiologie der HN ist multifaktoriell. Bei einem Drittel der Fälle ist die HN Folge eines Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH; [2]). Durch eine pathologisch erhöhte Sekretion von ADH kommt es zur Wasserretention. Patienten mit kleinzelligem Lungenkarzinom (SCLC) entwickeln besonders häufig eine SIADH und infolgedessen eine paraneoplastische Hyponatriämie [3]. Aber auch Patienten mit anderen Lungentumoren, Duodenum- oder Pankreaskarzinom und olfaktorischem Neuroblastom sind betroffen. Zudem können in Tumortherapie und Palliativmedizin eingesetzte Medikamente eine Hyponatriämie auslösen, indem sie die Sekretion von Arginin-Vasopression (AVP = ADH) erhöhen oder dessen Wirkung verstärken, so beispielsweise Vincristin, Vinblastin, Cisplatin, Carboplatin, Cyclophosphamid oder Ifosfamid, aber auch Opiate, nicht steroidale Antirheumatika und Interferone.
Korrektur der Natriumkonzentration
Der Grad der neurologischen Symptome und deren Entstehungsgeschwindigkeit bestimmt die initiale Geschwindigkeit der Korrektur der Serum-Natriumwerte. Diese dürfe nicht zu schnell erfolgen, da die Gefahr einer osmotischen Demyelinisierung und einer zentralen pontinen Myelinolyse bestehe, so Grohé. Während bei schweren Symptomen wie Krampfanfällen und Koma umgehend hypertone Kochsalzlösung infundiert werden muss, kommt bei mittelschweren und milden Symptomen unter anderem der Vasopressin-V2-Rezeptorantagonist Tolvaptan (Samsca®) zum Einsatz. Die bei milder Symptomatik oft empfohlene Flüssigkeitsrestriktion ist bei Tumorpatienten unter Chemotherapie dagegen häufig nicht durchführbar oder sehr belastend, erläuterte Grohé, zum Beispiel bei einer emetogenen Chemotherapie mit Übelkeit und Erbrechen oder aufgrund der notwendigen hohen Flüssigkeitsaufnahme bei nephrotoxischen Zytostatika wie Cisplatin. Bei Therapie mit Tolvaptan ist keine Flüssigkeitsrestriktion notwendig. Der bei Patienten mit SIADH-induzierter Hyponatriämie zugelassene orale selektive Vasopressin-V2-Rezeptorantagonist erhöht die reduzierte Natriumkonzentration signifikant effektiver als eine Flüssigkeitsrestriktion [4]. Dabei normalisiert sich der Salzhaushalt rasch und nachhaltig, erklärte Grohé.
1. Burst V et al. Support Care Cancer 2017; 25: 2275-83.
2. Fenske W et al. Am J Med 2010; 123: 652-7.
3. Petereit C et al. Pneumologie 2011; 65: 565-71.
4. Gheorghiade M et al. Am J Cardiol 2006 ;97: 1064-7.
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