2 bis 8 % aller Prostatakarzinome entfallen auf das nmCRPC-Stadium – eine Erkrankungsphase, in der die Tu-morerkrankung trotz Absenkung des Testosterons im Körper auf Kastrationsniveau fortschreitet, ohne dass in der konventionellen Bildgebung Fernmeta-stasen nachweisbar sind. Ein Drittel betroffener Männer unterliegt aber einem hohen Risiko, binnen 2 Jahren Fernmetastasen zu entwickeln, betonte Prof. Andres Jan Schrader, Münster, bei einer Webkonferenz. Ziel einer Therapie in diesem Stadium sei „die Verzögerung der Metastasierung und die Verlängerung des Überlebens bei gleichzeitigem Erhalt der Lebensqualität der meist asymptomatischen Patienten“. Hochrisikopatienten müssten identifiziert und behandelt werden, da die Entwicklung von Metastasen das Mortalitätsrisiko erheblich erhöhe (von 16 auf 56 %) und die Lebensqualität deutlich reduziere. Die Verdopplungszeit des PSA-Wertes (PSADT) stellt laut Schrader einen aussagekräftigen Parameter für die Krankheitsprogression und damit die Identifizierung der Hochrisikopatienten innerhalb eines heterogenen Patientenkollektivs dar.
Neue Molekularstruktur, stärkere Proliferationshemmung
Der neue AR-Antagonist Darolutamid deckt einen relevanten medizinischen Bedarf im nmCRPC-Stadium, weil er das Auftreten von Metastasen verzögert, das Mortalitätsrisiko verringert und gleichzeitig die Lebensqualität der meist beschwerdefrei lebenden Patienten erhält, erklärte Schrader. Im Vergleich zu den AR-Antagonisten Enzalutamid und Apalutamid zeige Darolutamid aufgrund seiner polaren Molekularstruktur eine verstärkte Bindung an den Androgenrezeptor, die mit einer stärkeren Proliferationshemmung einhergeht. Zudem sei die Tendenz zum Passieren der Blut-Hirn-Schranke gering, was zur Reduktion von Nebenwirkungen wie Fatigue und Fallneigung gegenüber anderen AR-Antagonisten beitrage. Außerdem seien kaum Medikamenten-Interaktionen bekannt.
Die Wirksamkeit und gute Verträglichkeit von Darolutamid konnte in der zulassungsrelevanten ARAMIS-Studie gezeigt werden, deren Daten Prof. Tilman Todenhöfer, Nürtingen, vorstellte. In der Phase-III-Studie waren 1.509 nmCRPC-Patienten eingeschlossen, bei denen ein hohes Metastasierungsrisiko bestand (PSADT ≤ 10 Monate). Sie erhielten nach 2 : 1-Randomisierung zusätzlich zur Androgendeprivationstherapie (ADT) entweder 2 x täglich 600 mg Darolutamid oder Placebo [2]. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war das metastasenfreie Überleben (MFS). Unter ADT plus Daro-lutamid betrug das mediane MFS 40,4 Monate vs. 18,4 Monate unter ADT plus Placebo – ein signifikanter und klinisch relevanter Unterschied (HR 0,41; 95-%-KI 0,34–0,50; p < 0,001). Das mediane Gesamtüberleben war in beiden Armen noch nicht erreicht, doch zeigen die bislang verfügbaren Daten ein um 29 % vermindertes Mortalitätsrisiko unter dem Einfluss von Darolutamid an. Daneben zeigte sich ein Vorteil der Darolutamid-basierten Therapie gegenüber ADT plus Placebo bei sekundären und explorativen Endpunkten: So war die Dauer bis zur Schmerzprogression (40,3 vs. 25,4 Monate) und PSA-Progression (33,2 vs.
7,3 Monate) ebenso verlängert wie das progressionsfreie Überleben (36,8 vs.
14,8 Monate). Zudem war die Zeit bis zur ersten Chemotherapie und bis zum Auftreten erster symptomatischer Skelett-ereignisse verzögert, was neben der zeitlich verschobenen Schmerzreduktion als Lebensqualität-relevant gewertet wird.
Todenhöfer betonte die gute Verträglichkeit des neuen AR-Antagonisten: „Die Inzidenz von Nebenwirkungen war Placebo-artig und die Anzahl der daraus resultierenden Therapieabbrüche gering“. Häufigste Nebenwirkung in beiden Gruppen war Fatigue (12,1 % im Darolutamid- vs. 8,7 % im Placebo-Arm); Grad-3/4-Nebenwirkungen waren in beiden Armen selten (0,4 vs. 0,9 %). Unter Darolutamid wurden auch keine Änderungen des mentalen Zustands beobachtet und Krampfanfälle waren sehr selten (0,2 %). Für Todenhöfer ist der neue AR-Inhibitor damit „eine unübertroffene Therapieoption für das nmCRPC“.
Claudia Schöllmann