Wie Prof. Dr. Barbara Eichhorst, Köln, erläuterte, standen bei symptomatischen Patienten mit neu diagnostizierter CLL bislang vor allem eine Chemoimmuntherapie von relativ kurzer Dauer oder die zeitlich unbegrenzte Gabe von Inhibitoren der Bruton-Tyrosinkinase (BTK) zur Auswahl. Entscheidende Kriterien der Therapiewahl sind dabei laut Onkopedia-Leitlinie [1] die Fitness bzw. Komorbiditäten des Patienten bzw. pro-gnostisch ungünstige molekulargenetische Marker (TP53-Mutation bzw. 17p-Deletion, unmutierter IGHV-Status).
Bei günstiger Prognose war bisher die zeitliche Begrenzung das Hauptargument für die Chemoimmuntherapie, zumal diese oft mit tiefem Ansprechen (minimale Resterkrankung (MRD) nicht mehr nachweisbar) und langen therapiefreien Intervallen assoziiert war. Negativ zu Buche schlägt laut Eichhorst das Risiko einer schweren Immunsuppression und sekundärer Neoplasien. Bei ungünstigem Risikoprofil waren BTK-Inhibitoren die Therapie der Wahl, die gut und anhaltend wirken, aber dauerhaft eingenommen werden müssen – mit dem potentiellen Risiko für kumulative Nebenwirkungen.
Mit der aktuellen Indikationserweiterung gibt es für CLL-Patienten nun schon in der Erstlinie einen Chemotherapie-freien und dennoch zeitlich begrenzten Therapieansatz. Das Konzept, so Eichhorst, basiert auf In-vitro-Daten sowie auf einer Phase-I/II-Studie, in der der BCL-2-Inhibitor Venetoclax kombiniert mit dem Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab (VenO) außergewöhnlich hohe Raten an MRD-Negativität erzielte [2]. In der Phase-III-Studie CLL14 der Deutschen CLL-Studiengruppe wurden daher laut der Erstautorin der Studie Dr. Kirsten Fischer, Köln, randomisiert jeweils 216 Patienten mit neu diagnostizierter CLL mit der VenO-Kombination bzw. Chlor-ambucil und Obinutuzumab (ClbO) behandelt. Sie litten an Komorbiditäten mit einem CIRS-Score (Cumulative Illness Rating Scale) von > 6 und/oder hatten eine Kreatinin-Clearance (CrCl) von < 70 ml/min. Die Gesamttherapiedauer lag bei 12 Zyklen bzw. 336 Tagen [3].
Signifikant verlängertes PFSi
Der primäre Endpunkt der Studie, das progressionsfreie Überleben (PFS), war unter VenO signifikant verlängert: Die 2-Jahres-Raten lagen hier bei 88,2 %, im ClbO-Arm bei 64,1 % (HR 0,35; 95-%-KI 0,23–0,53; p < 0,001; [4]). Eine aktualisierte Auswertung nach median knapp 40 Monaten bestätigt diesen Vorteil [5]: Der Medianwert liegt nun für ClbO bei 36 Monaten, während er für VenO noch nicht erreicht war. Die Überlegenheit von VenO zeigt sich auch in den Hochrisiko-Subgruppen, wenngleich Patienten mit TP53-Mutation bzw. 17p-Deletion schlechter ansprachen [4].
Signifikant überlegen war VenO auch beim Ansprechen, sowohl in Bezug auf die Gesamt- und Komplettremissionsraten als auch im Hinblick auf die MRD-Negativität (alles sekundäre Endpunkte): Bei einer Nachweisgrenze von 10-4 waren hier doppelt so viele Patienten wie im ClbO-Arm im peripheren Blut MRD-negativ (75,5 % vs. 35,2 %, p < 0,001), im Knochenmark sogar mehr als dreimal so viele (56,9 % vs. 17,1 %, p < 0,001; [4]). Selbst bei einer Sensitivität von 10-6, erreichbar via Next Generation Sequencing (NGS), waren noch 42 % der Patienten im VenO-Arm MRD-negativ, was laut Fischer eine sehr lange progressionsfreie Überlebenszeit erwarten lässt. Der negative MRD-Status wurde auch schneller erreicht und hielt länger an; 2 Jahre nach Therapieende war die Hälfte immer noch MRD-negativ [5]. Häufigkeit und Schweregrad von Nebenwirkungen waren in beiden Armen vergleichbar und entsprachen den bekannten Sicherheitsprofilen der Wirkstoffe in der Monotherapie [4].
Laut Dr. Ingo Schwaner, Berlin, spiegeln die Einschlusskriterien der CLL14-Studie sehr gut das Bild des typischen CLL-Patienten in der Praxis wider. Dort bedürfen klassische Chemoimmuntherapien mittlerweile einer speziellen Begründung – gerade bei jüngeren Patienten aufgrund des erhöhten Risikos für Zweitmalignome. Das Argument der zeitlichen Begrenzung hätte in der Vergangenheit für einige seiner Patienten den Ausschlag für diese Therapieform gegeben.
Josef Gulden