Aktivierende Genfusionen der Tyrosinkinase RET treten bei ca. 1–2 % aller NSCLC sowie bei 10–20 % aller papillären Schilddrüsenkarzinome auf. RET-aktivierende Mutationen kommen sogar bei mehr als 60 % der sporadischen und 90 % der hereditären medullären Schilddrüsenkarzinomen (MTC) vor, berichtete Prof. Hans-Georg Kopp, Stuttgart. Erstmals zeigte mit Selpercatinib (Retsevmo®) ein RET-Inhibitor in der Studie Libretto-001 Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit verschiedenen RET-bedingten Tumoren [1, 2].
An der Studie hatten 105 Patienten mit einem RET-Fusions-positiven fortgeschrittenen NSCLC teilgenommen, die zuvor neben einer Platin-basierten Chemotherapie oft auch schon Checkpoint-Inhibitoren und/oder Multikinase-Hemmer erhalten hatten [1]. Die Behandlung mit zweimal täglich 160 mg Selpercatinib führte zu einer objektiven Ansprechrate (ORR) – dem primären Endpunkt der Studie – von 64 % und einer medianen Ansprechdauer von 17,5 Monaten. Bei zehn von elf Patienten mit Hirnmetastasen zeigte sich auch ein intrakranielles Ansprechen. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) lag bei 16,5 Monaten, 66 % der Patienten lebten nach einem Jahr noch ohne Progress.
Ein fortgeschrittenes RET-Fusions-positives Schilddrüsenkarzinom wiesen in der primären Auswertung der Studie 19 Patienten auf [2]. Alle hatten nach Radiojod-Therapie eine weitere systemische Therapie ohne radioaktives Jod erhalten, insbesondere mit Sorafenib und/oder Lenvatinib. Die Selpercatinib-Therapie führte bei 15 Patienten zum Ansprechen (ORR 78,9 %, komplette Remissionen 11 %), zwölf Patienten (64 %) lebten nach einem Jahr noch progressionsfrei.
Beim fortgeschrittenen, RET-mutierten, medullären Schilddrüsenkarzinom lag die ORR mit Selpercatinib bei 69,1 % [2]. Alle Patienten waren mit Cabozantinib und/oder Vandetanib vorbehandelt. Das Ansprechen war unabhängig von der Art der RET-Punktmutationen. Die häufigsten höhergradigen unerwünschten Ereignisse vom Grad ≥ 3 waren Hypertonie, Transaminasen-Erhöhung und Lymphozytopenie. Kopp empfahl, vor Therapiebeginn auf eine gute Kontrolle einer vorbestehenden Hyper-tonie zu achten und die QT-Zeit zu bestimmen, da auch QT-Zeit-Verlängerungen möglich sind. Zum Management von Toxizitäten sind Dosisanpassungen möglich; damit sei Selpercatinib eine gut steuerbare Therapieoption, betonte der Stuttgarter Onkologe.
Friederike Klein