Adenokarzinome von Magen und GEJ sind weltweit die fünfthäufigste Tumorart und die vierthäufigste krebsbedingte Todesursache. Die hohe Mortalität verdeutlicht die weiterhin schlechte Prognose für betroffene Patient:innen, sodass neue Therapien dringend benötigt werden.
Zwischen 12 und 20 % der Magen- und GEJ-Karzinome sind HER2-positiv. Bei dieser Subgruppe metastasierter Tumoren ist seit etlichen Jahren die Erstlinientherapie mit Trastuzumab zusätzlich zur Platin-basierten Chemotherapie aufgrund der Überlebensverlängerung im Vergleich zur Chemotherapie allein Standard. Daher ist es unabdingbar, Erkrankte vor Therapiebeginn auf die HER2-Expression zu testen. Prof. Florian Lordick, Leipzig, wies jedoch darauf hin, dass die HER2-Expression beim Magenkarzinom – anders als beim Mammakarzinom – bei mindestens einem Drittel der Betroffenen sehr heterogen ist, was die Effektivität von Trastuzumab beeinträchtigt.
Nach Versagen der Trastuzumab-basierten Erstlinientherapie gab es bislang keine spezifischen Anti-HER2-Therapien in der zweiten Linie. Der Versuch in der T-ACT-Studie, Trastuzumab über die Progression hinaus mit einer anderen Chemotherapie zu kombinieren, erwies sich als nicht sinnvoll [1]. Auch Studien mit Trastuzumab-Emtansin oder Lapatinib als Folgetherapie gingen negativ aus.
Nach über 10 Jahren neue EU-Zulassung
Mit T-DXd steht bereits eine effektive Zweitlinientherapie beim HER2-positiven Mammakarzinom und beim HER2-low Brustkrebs zur Verfügung. Auf Basis der Studien DESTINY-Gastric01 und DESTINY-Gastric02 wurde das ADC am 19. Dezember 2022 von der European Medicines Agency (EMA) bei mit Trastuzumab vorbehandelten Patient:innen mit einem HER2-positiven fortgeschrittenen Magen- und GEJ-Karzinom zugelassen. Nach mehr als einem Jahrzehnt ist es die erste gegen HER2 gerichtete Substanz mit einer EU-Zulassung in dieser Indikation.
Beim ADC ist der Anti-HER2-Antikörper über einen erst in der Tumorzelle enzymatisch gespaltenen Linker mit dem hochpotenten Topisomerase-I-Inhibitor Deruxtecan verknüpft. „Es handelt sich also um ein kombiniertes immunologisches und zytotoxisches Wirkprinzip“, erläuterte Lordick. Aufgrund seiner hohen Payload (Wirkstoff-Antikörper-Verhältnis 8:1) und seines Bystander-Effekts wirkt T-DXd (Enhertu®) effektiv auch auf benachbarte Tumorzellen, die HER2 unter Umständen nur wenig oder gar nicht exprimieren. Dieses Charakteristikum von T-DXd wertete Lordick beim Magenkarzinom mit seiner heterogenen HER2-Expression als großen Vorteil.
Studien DESTINY-Gastric01 und -Gastric02
In der in Ostasien erstellten Studie DESTINY-Gastric01 wurde T-DXd bei 188 Erkrankten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Karzinomen von Magen und GEJ nach zwei Vortherapien gegenüber einer Chemotherapie nach Wahl des Prüfarztes/der Prüfärztin evaluiert [2]. Im Vergleich zum Kontrollarm steigerte das ADC die Gesamtansprechrate (primärer Endpunkt) um ca. 30 % (43 % vs. 12 %); das Gesamtüberleben wurde um 4 Monate verlängert (12,5 vs. 8,4 Monate). „Der Unterschied ist beeindruckend und wurde so beim Magenkarzinom bislang noch nicht gesehen“, kommentierte Lordick.
In der von der EMA geforderten einarmigen Bestätigungsstudie DESTINY-Gastric02 bei 79 Erkrankten nach Trastuzumab-Vortherapie konnten diese Ergebnisse überzeugend untermauert werden [3]. Die Gesamtansprechrate entsprach mit 41,8 % dem Ergebnis von DESTINY-Gastric01. Gleiches gilt für das OS mit median 12,1 Monaten. „Die Konkordanz der Studienergebnisse ist erstaunlich“, so Lordick.
Der Experte bezeichnete die Therapie mit T-DXd als prinzipiell gut verträglich. Die Hämatotoxizität sei im onkologischen Alltag gut handhabbar. Lordick machte aber auf die interstitielle Lungenkrankheit (ILD) aufmerksam, die in beiden Studien bei ca. 10 % der Betroffenen auftrat und an der in der DESTINY-Gastric02-Studie zwei Personen verstarben. Diese Nebenwirkung tritt meist erst verzögert im Therapieverlauf auf. Bei Atembeschwerden oder Husten sollten sofort eine ILD-Diagnostik mit hochauflösender Computertomographie, Lungenfunktionstests und eine Blutgasanalyse durchgeführt und ggf. eine Therapie eingeleitet werden.
Dr. Katharina Arnheim