Acalabrutinib (Calquence®) ist für die Erstlinienbehandlung von CLL-Patienten als Monotherapie und in Kombination mit dem CD-20-Antikörper Obinutuzumab zugelassen, zudem in der rezidivierten Situation als Monotherapie für Patienten mit mindestens einer Vorbehandlung. Acalabrutinib-haltige Therapien wurden für diese Indikationen bereits in die Onkopedia-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) aufgenommen [3]. Diese Leitlinienempfehlung beruht nach Darstellung von Prof. Stephan Stilgenbauer, Universitätsklinikum Ulm, auf einer überlegenen Verträglichkeit von Acalabrutinib im Vergleich zum schon länger etablierten BTKi Ibrutinib.
Weniger Vorhofflimmern
Der direkte Vergleich beider BTKi in den auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2021 vorgestellten Daten der Phase-III-Studie ELEVATE-RR „bestätigen noch einmal das günstige Sicherheitsprofil von Acalabrutinib“, sagte Stilgenbauer. In diesem ersten Head-to-Head-Vergleich [1] bei 533 Patienten mit refraktärer/rezidivierter (r/r) Hochrisiko-CLL war Acalabrutinib nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von fast 3,5 Jahren (40,9 Monaten) Ibrutinib hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) nicht unterlegen: Die Patienten erreichten in beiden Armen ein medianes PFS von 38,4 Monaten (HR 1,00; 95%-KI 0,79–1,27).
„Das Hauptaugenmerk der Studie waren allerdings die sekundären Endpunkte“, so Stilgenbauer. Es traten zwar unter Acalabrutinib im Vergleich zur Ibrutinib-Gruppe häufiger Kopfschmerzen (34,6 % vs. 20,2 %) und Husten auf (28,9 % vs. 21,3), aber die Inzidenz von Blutungen (38 % vs. 51,3 %), Bluthochdruck (9,4 % vs. 23,2 %) und Vorhofflimmern jeglichen Grades (9,4 % vs. 16 %) war reduziert. Dies sei besonders relevant, da über zwei Drittel der CLL-Patienten kardiovaskuläre Komorbiditäten aufwiesen, was häufig therapielimitierend sei, sagte Stilgenbauer. „Vorhofflimmern kann darüber hinaus das Risiko für Schlaganfälle, Herzversagen und andere weitere kardiovaskuläre bedingte Komplikationen steigern“, ergänzte er.
Acalabrutinib mono oder kombiniert in der Erstlinie?
Auch in der Erstlinientherapie wurde die Wirksamkeit einer Acalabrutinib-haltigen Therapie bestätigt – in dem Update der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie ELEVATE TN [2] nach knapp vier Jahren (46,9 Monate). 535 therapienaive CLL-Patienten erhielten darin entweder eine Acalabrutinib-Monotherapie, Acalabrutinib plus Obinutuzumab oder eine Chemoimmuntherapie, bestehend aus Chlorambucil plus Obinutuzumab. Nach Meinung von Dr. Julia von Tresckow, Universitätsklinikum Essen, nicht überraschend, zeigten sich die Acalabrutinib-Arme bezüglich des primären Endpunkts PFS der Chemoimmuntherapie überlegen: Für beide experimentelle Arme wurde das mediane PFS noch nicht erreicht, für die Chemoimmuntherapie lag es bei 27,8 Monaten.
Wichtig für die klinische Praxis ist laut von Tresckow allerdings die Frage, ob Acalabrutinib allein oder in Kombination effektiver ist. Zwar steigerte sich die geschätzte PFS-Rate nach 48 Monaten unter der Kombination aus Acalabrutinib plus Obinutuzumab um 9 % im Vergleich zur Acalabrutinib-Monotherapie (87 % vs.
78 % gegenüber 25 % unter Chemoimmuntherapie). Die Daten für das Gesamtüberleben (OS) seien aber noch nicht reif, auch wenn ein positiver Trend für die Kombinationstherapie vorliege. „Wir brauchen die Gesamtüberlebensdaten, um letztlich sagen zu können, was die bessere Option ist. Die PFS-Daten haben mich noch nicht davon überzeugt, dass ich den CD20-Antikörper wirklich brauche“, so von Tresckow.
„Die letzten Jahre haben eine Revolution der Behandlung von CLL-Patienten mit sich gebracht. Wir haben ganz hervorragende Therapieoptionen ohne Chemotherapie, die extrem gut verträglich und hoch wirksam sind, und Acalabrutinib ist hier ein ganz wichtiger Baustein in diesem Spektrum von therapeutischen Möglichkeiten“, resümierte Stilgenbauer.
Sabrina Kempe