Mit der Einführung der ersten zielgerichteten Therapie beim Mammakarzinom, dem gegen HER2-neu gerichteten Antikörper Trastuzumab, konnte die Mortalität beim frühen HER2+ Mammakarzinom seinerzeit um 50 % gesenkt werden, berichtete Prof. Michael Untch, Berlin-Buch. Viele Frauen bleiben auch auf Dauer krankheitsfrei. Nach der gemeinsamen Auswertung von zwei Studien mit Trastuzumab zusätzlich zur Chemotherapie liegt die Rate des krankheitsfreien Überlebens nach 10 Jahren mit dieser zielgerichteten HER2-Therapie bei 73,7 %. Das bedeutet aber, dass 26,3 % der Frauen mit frühem HER2+ Mammakarzinom trotz dieser zielgerichteten Therapie ein Wiederaufflammen der Erkrankung erleben können [1]. Viele Rezidive treten als Fernmetastasen auf und eine Heilung wird unmöglich, so Untch.
Mit dem irreversiblen pan-HER-Tyrosinkinase-Inhibitor Neratinib steht jetzt eine neue HER2-gerichtete Therapie für Patientinnen mit frühem HER2+ HR+ Mammakarzinom zur Verfügung, die als erweiterte adjuvante Therapie ein Jahr lang nach einer höchstens seit 12 Monaten abgeschlossenen Trastuzumab-basierten adjuvanten Therapie erfolgt. Der Einsatz ist unabhängig davon möglich, ob die bisherige HER2-gerichtete Therapie neoadjuvant oder nur adjuvant erfolgt ist und ob die zielgerichtete Therapie aus Trastuzumab alleine oder aus einer Kombination von Trastuzumab und Pertuzumab bestand [2]. Auch nach einer postneoadjuvanten Behandlung mit Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) ist die Behandlung mit Neratinib möglich. Basis für die im August 2018 erfolgte europäische Zulassung war die ExteNET-Studie (Extended Adjuvant Therapy with Neratinib after Trastuzumab).
Im Verhältnis 1 : 1 randomisiert erhielten die Studienteilnehmer mit frühem HER2+ Mammakarzinom nach abgeschlossener Trastuzumab-Therapie für ein Jahr entweder Neratinib oral in einer Dosis von 240 mg pro Tag oder Placebo. Primärer Endpunkt war das invasiv-krankheitsfreie Überleben (iDFS) 2 Jahre nach Randomisierung, wobei invasive Ereignisse die für Patienten relevantesten Ereignisse umfassten, wie Prof. Hans-Joachim Lück, Hannover, betonte: das Auftreten von invasiven Rezidiven oder Fernmetastasen sowie Tod jeglicher Ursache. Schon nach 2 Jahren zeigte sich eine 33 %ige Risikoreduktion im iDFS, die sich in der 5-Jahresanalyse weiter bestätigte [3, 4].
Besonders profitierten Patientinnen mit HR+/HER2+ Mammakarzinom, die vor maximal einem Jahr die vorangegangene Trastuzumab-Therapie beendet hatten. In einer Subgruppenanalyse lag die relative Risikoreduktion im iDFS bei diesen Patientinnen nach 5 Jahren bei 42 %, die absolute Reduktion der Rezidivwahrscheinlichkeit bei 5,1 %. Auch Patientinnen ohne pathologisches Komplett-ansprechen nach neoadjuvanter Therapie profitierten mit einer um 7,4 % höheren iDFS-Rate in der Neratinib-Gruppe gegenüber Placebo deutlich von der erweiterten Adjuvanz mit Neratinib [5].
Patientenmanagement wichtig
Insgesamt wurde die erweiterte Adjuvanz mit Neratinib in der ExteNET-Studie gut toleriert. Am häufigsten litten die Patienten der Neratinib-Gruppe unter Diarrhöen, die auch Grad 3 oder 4 erreichen konnten. In der Studie war eine primäre Durchfallprophylaxe nicht vorgeschrieben. Bei Primärprophylaxe mit Loperamid in den ersten 1 bis 2 Monaten der Therapie und einer Ernährungsberatung lassen sich Diarrhöen laut Lück gut handhaben. Wichtig sei die gute Aufklärung sowie eine zunächst engmaschige Betreuung der Frauen, um der Angst vor Obstipation entgegenzuwirken. Ob eine schrittweise Aufdosierung die Tolerabilität der Therapie weiter verbessern kann, wird derzeit untersucht. Studien laufen auch zum Einsatz von Neratinib beim metastasierten HER2+ Mammakarzinom.
Friederike Klein
Launch-Pressekonferenz „Neue Therapieoption beim frühen Mammakarzinom: Nerlynx® senkt Rezidivrisiko bei HER2+/HR+ Patientinnen“ am 22.01.2020 in München, veranstaltet von Pierre Fabre Pharma GmbH.