Etwa 30% der Patienten mit Hämophilie A (HA) entwickeln im Verlauf der Therapie Hemmkörper (Allo-Antikörper) gegen Faktor-VIII-Konzentrate. Dies steigert ihre Morbidität, verschlechtert die Lebensqualität und erfordert eine aufwendige Immuntoleranz-Therapie zur Hemmkörper-Elimination. Eine bessere und deutlich weniger belastende Option eröffnet jetzt der humanisierte bispezifische monoklonale Antikörper Emicizumab (Hemlibra®).
Emicizumab bindet und verknüpft die Gerinnungsfaktoren IXa und X und ersetzt so den defizienten Faktor VIII in der Gerinnungskaskade, erläuterte Dr. Natascha Marquardt, Bonn. Der Antikörper hat sich in der zulassungsrelevanten multizentrischen, offenen HAVEN-2-Studie [1] bewährt. Daran nahmen insgesamt 88 Kinder im Alter von unter zwölf Jahren teil, die zuvor im Rahmen der Immuntoleranz-Induktion episodisch (25%) oder prophylaktisch (75%) mit Bypass-Präparaten (BPA) behandelt worden waren. Sie bekamen über 52 Wochen einmal wöchentlich Emicizumab (1,5 mg/kg s. c.; n = 68) nach einer vierwöchigen Eindosierungs-Phase (3 mg/kg). Zwei weitere Studienarme (jeweils n = 10) untersuchten andere Dosierungen (3 mg/kg alle zwei Wochen bzw. 6 mg/kg alle vier Wochen).
Vor Studienbeginn hatten die Kinder im Mittel sechs Blutungen in 24 Wochen, 34 (38,6%) Patienten wiesen bereits Zielgelenke auf. Nach median 58 Wochen ergab eine Interimsanalyse bei 65 Patienten des Haupt-Studienarms, dass, bezogen auf die annualisierte Blutungsrate (ABR), keine behandlungspflichtigen Blutungen (auch keine Gelenkblutungen) und im Mittel nur 0,6 Blutungen insgesamt eingetreten waren. „Fast 77% der Patienten hatten keine behandlungsbedürftige Blutung in dem Zeitraum“, betonte Marquardt. Nur bei 23% kam es zu ein bis drei solchen Blutungsereignissen. Bei 18 Teilnehmern einer nicht-interventionellen Studie im Vorfeld war die ABR von 19,9% unter BPA auf 0,2% unter Emicizumab einmal wöchentlich – und damit um 99% – gesunken. Auch unter 14-tägiger (-90%) und vierwöchiger Gabe (-60%) wurde die ABR deutlich reduziert.
Hinzu kam eine gute Verträglichkeit des bispezifischen Antikörpers ohne thromboembolische Ereignisse oder Mikroangiopathien. Lokale Injektionsreaktionen (bei 27 Patienten) verliefen mild, schwere Nebenwirkungen bei 17 Patienten waren nur in einem Fall auf den Antikörper zurückzuführen. Nach weiteren Analysen des HAVEN-1–4-Studienprogramms mit 398 Teilnehmern traten neutralisierende Antikörper bei unter 1% der Teilnehmer (3/398) auf, was nach Einschätzung von Marquardt keine Routinekontrolle erforderlich macht. Ähnlich wirksam war der Antikörper auch bei HA-Patienten ohne Hemmkörper. In der Studie HAVEN 3 [2] (Patienten über zwölf Jahre) reduzierte er die ABR – verglichen mit einer Gruppe ohne Prophylaxe – um 96% (einmal wöchentlich) bzw. 97% (14-tägig).
Andreas Häckel
Pressekonferenz „ASH 2018: Highlights zur Therapie von Lymphomen und Hämophilie“ am 12.12.2018 in Frankfurt am Main, veranstaltet von Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen.