Für Patienten mit einem kastrationsresistenten, aber nicht metastasierten Karzinom gab es bisher keine geeignete Therapie. Nun hat die Europäische Kommission die neue Wirkstoffgruppe der Antiandrogene zur Behandlung dieser Krebserkrankung in einer Kombinationstherapie zugelassen.
Mit der Zulassung der neuen anti-androgenen Substanzen wurde auch die Leitlinie zum kastrationsresistenten, nicht metastasierten Karzinom (M0CRPC) geändert: Die klassische Androgen-Deprivationstherapie (ADT), bei der eine Hemmung der Testosteron-Produktion durch eine medikamentöse Beeinflussung der Hypophyse erfolgt, wird nun mit einem Antiandrogen kombiniert [1]. Das Antiandrogen dockt an den Androgenrezeptor im Zytoplasma der Prostatakrebszelle an und blockiert so dessen Bindungsstelle für Testosteron. Damit wird die Translokation des Hormon-Rezeptorkomplexes in den Zellkern und damit die Transkription von Testosteron-abhängigen Genen unterbunden.
Grundlage der Zulassung des Antiandrogens Apalutamid (Erleada®) war die Studie SPARTAN (Selective Prostate Androgen Receptor Targeting with ARN-509; [2]). In dieser Phase-III-Studie wurde Apalutamid in Kombination mit der ADT bei M0CRPC-Patienten mit hohem Metastasierungsrisiko untersucht [2]. Dabei wurde ein neuer Endpunkt verwendet, die metastasenfreie Überlebenszeit (MFS), d. h. die Zeit von der Randomisierung bis zum ersten Nachweis von Fernmetastasen in Knochen oder Weichteilen oder dem Eintritt des Todes unabhängig von dessen Ursache [3]. Der Grund für die Verwendung des MFS anstelle des Gesamtüberlebens (OS) für die Bewertung der Wirksamkeit von Medikamenten beim M0CRPC ist die große Zeitspanne zwischen dem Wiederanstieg des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) und dem Tod der Patienten. In Studien korreliert der radiologisch dokumentierte Nachweis von Metastasen beim lokal begrenzten kastrationsresistenten Prostatakarzinom gut mit der Gesamtüberlebenszeit, d. h. das MFS eignet sich gut als Surrogat-Parameter für das OS [4].
Zwei Jahre länger ohne Metastasen überleben
Prof. Boris Hadaschik, Essen, referierte die Studiendaten zu Apalutamid [2]: An der SPARTAN-Studie nahmen 1.207 Männer mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom teil, bei denen in der konventionellen Bildgebung keine Metastasen gefunden worden waren. Die PSA-Verdopplungszeit betrug höchstens zehn Monate. Während unter Apalutamid plus ADT median 41 Monate bis zum Nachweis von Metastasen oder bis zum Tod vergingen, dauerte das unter Placebo plus ADT nur 16 Monate. Die Lokalisation der Metastasen hatte keinen Einfluss auf dieses Ergebnis. Die Therapie mit Apalutamid plus ADT hat in der SPARTAN-Studie also das MFS im Vergleich zu Placebo plus ADT signifikant um mehr als zwei Jahre verlängert und das Risiko für Metastasierung oder Tod um 70% reduziert (Hazard Ratio 0,30; p < 0,0001; [2]).
Laut PD Dr. Schnöller, Mindelheim, ist das ein großer Fortschritt, denn sowohl Kastrationsresistenz als auch Metastasierung erhöhen das Progressions- und das Mortalitätsrisiko erheblich [3]. So liegen bei einem neu diagnostizierten, lokalisierten oder lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom nach Schätzungen mithilfe eines Progressionsmodells die jährliche Progressionsrate und die jährliche Gesamtmortalität jeweils bei 5% [3].
Erfolgt im lokal begrenzten oder lokal fortgeschrittenen nicht-metastierten Stadium eine ADT und schreitet die Erkrankung dann weiter fort zum M0CRPC, ist die Prognose nach dem Modell noch schlechter. Die jährliche Progressionsrate erhöht sich auf 34%, die jährliche Mortalitätsrate beträgt 16% [3]. Geht ein M0CRPC in das metastasierte kastrationsresistente Prostatakarzinom über, wird die jährliche Progressionsrate auf 74% und die Mortalitätsrate auf 56% geschätzt [3].
Hohes Risiko bei kurzer PSA-Verdopplungszeit
Das Metastasierungsrisiko ist bei diesen Patienten besonders hoch, wenn sie eine kurze PSA-Verdopplungszeit haben. In einer retrospektiven Analyse war das Risiko für die Entwicklung von Knochenmetastasen um das Zwölffache (p < 0,0001) und die Sterblichkeit um das Vierfache (p = 0,0034) erhöht, wenn ihre PSADT unter zehn Monaten lag [5].
Fachpressekonferenz „Erleada®: Neue Therapieoption für Patienten mit Hochrisiko-M0CRPC“ am 06.02.2019 in Neuss, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH, Neuss.