PIDs sind eine Klasse genetischer Störungen, die durch einen Defekt im menschlichen Immunsystem gekennzeichnet sind [2], wohingegen SIDs erworbene Funktionsstörungen des Immunsystems sind. Die Ursachen sind vielfältig und können eine Konsequenz aus unterschiedlichen Erkrankungen (wie HIV-Infektion, Krebs oder Autoimmunerkrankungen), metabolischen Störungen und Behandlungen (z. B. Einnahme von Immunsuppressiva) sein [3, 4].
Sowohl Patient:innen mit PID als auch solchen mit SID fehlten Antikörper, weshalb sie eine hohe Infektanfälligkeit hätten, erklärte Prof. Gergely Kriván, Budapest, Ungarn, im Rahmen der Pressekonferenz zum Launch von BT595 (Yimmugo®). Infektionen erhöhen jedoch die therapieassoziierte Mortalität bei hämatologischen und onkologischen Patient:innen [5]. SIDs können zudem die Immunabwehr gegenüber Tumorzellen schwächen [3].
Zur Behandlung von Patient:innen mit Immundefekten werden eine antimikrobielle Prophylaxe sowie ein adäquater Impfschutz empfohlen. Treten jedoch schwere oder rezidivierende Infektionen auf, bei denen sich eine antimikrobielle Therapie als ineffektiv herausgestellt hat, und weisen die Betroffenen zusätzlich entweder eine fehlende Impfantwort oder eine Hypogammaglobulinämie mit einem IgG-Serumspiegel < 4 g auf, ist eine Immunglobulinsubstitution indiziert. Bei SID-Patient:innen wird die Verabreichung von intravenösen Immunglobulinen in einer Dosierung von 0,2–0,4 g/kg Körpergewicht (q3–4w) empfohlen.
Neuzulassung intravenöses Immunglobulinpräparat
Für die Therapie von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit PID, SID und zur Immunmodulation ist nun auch das 10%ige Immunglobulinpräparat BT595 (62 % IgG1, 32 % IgG2, 4 % IgG3 und 1 % IgG4) aus humanem Blutplasma zur intravenösen Anwendung verfügbar.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von BT595 wurde bei 49 Erwachsenen und 18 Kindern (≥ 2 Jahre) mit PID in einer prospektiven, unkontrollierten, multizentrischen Phase-III-Studie nachgewiesen [2]. Die Teilnehmenden erhielten Dosen zwischen 0,2 und 0,8 g/kg Körpergewicht über einen Zeitraum von etwa einem Jahr in Abständen von drei bis vier Wochen.
Der primäre Endpunkt, die mittlere Anzahl der akuten schweren bakteriellen Infektionen (SBIs) pro Patientenjahr (EMA-Anforderung < 1,0), wurde mit einer adjustierten SBI-Rate von nur 0,015 erreicht. Auch die Ergebnisse der sekundären Endpunkte bestätigten die Wirksamkeit und Sicherheit von BT595. Es gab keine unerwarteten unerwünschten Ereignisse. 63 von 67 Patient:innen (94 %) erlitten 458 behandlungsbedingte unerwünschte Wirkungen (TEAEs) bei 923 Infusionen, die meist mild bis moderat ausfielen. Am häufigsten traten Kopfschmerzen (13,4 %) und Fatigue (4,5 %) als infusionsbedingte Nebenwirkungen auf. Bei einer erwachsenen Patientin verschlechterte sich die bereits bestehende Neutropenie. Die Patientin entwickelte diese TEAE allerdings auch unter anderen IVIG-Präparaten. 8 % der Infusionen waren mit mehr als einem TEAE assoziiert.
BT595 könne Patient:innen mit PID und SID wirksam, sicher und gut verträglich vor schweren bakteriellen Infektionen schützen, berichtete Kriván. Die Immunglobulinsubstitution sollte so schnell wie möglich eingeleitet werden, um Infektionen effektiv vorzubeugen, mahnte er.
Mehr Nachhaltigkeit in der Produktion
Das intravenöse Immunglobulin BT595 sei die erste Zulassung aus der modernen Produktionsanlage Biotest Next Level am Standort Dreieich, freute sich Dr. Jörg Schüttrumpf, Vorstand Wissenschaft und Medizin der Biotest AG. Die Produktionsanlage sei ein wichtiger Meilenstein für Biotest auf dem Weg zur angestrebten vollständigen Klimaneutralität bis zum Jahr 2035.
Sabrina Kempe