Patienten mit HER2-positivem Brustkrebs sind im Vergleich zu denen mit HER2-negativem Brustkrebs durch einen aggressiveren Verlauf und ein erhöhtes Rezidivrisiko charakterisiert. Bei bis zu 50 % dieser Patientinnen treten im Krankheitsverlauf Hirnmetastasen auf. Von einer ganzen Reihe möglicher Therapieoptionen steht die Kombination der dualen Antikörpertherapie aus Trastuzumab und Pertuzumab in Kombination mit wöchentlichem Paclitaxel oder Docetaxel für die Erstlinienbehandlung des metastasierten HER2-positven Brustkrebses ganz oben in den Leitlinien renommierter Fachgesellschaften. In der CLEOPATRA-Studie war ein Überlebensvorteil der Kombination nachgewiesen worden [1].
Nach Progress unter dieser Therapie führt wiederum Trastuzumab-Emtansin (T-DM 1) zu einer weiteren Überlebensverlängerung. Aus diesem Grund wird T-DM 1 mit einem sehr hohen Empfehlungsgrad von den Fachgesellschaften für die Zweitlinientherapie bei dieser Entität empfohlen.
Tucatinib (Tukysa®) ist ein oraler Tyrosinkinase-Inhibitor, der sehr selektiv an HER2 bindet und zu einer antitumoralen Aktivität bei HER2-exprimierenden Tumorzellen führt. Eine Kombination von Tucatinib und Trastuzumab hatte in vitro und in vivo eine erhöhte Anti-Tumoraktivität im Vergleich zu jedem der beiden Arzneimittel allein bewirkt.
Zulassungsstudie HER2CLIMB
In die doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie HER2CLIMB wurden 612 Patientinnen mit HER2-positivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs eingeschlossen, die zuvor mit Trastuzumab und Pertuzumab (als Mono- oder Kombinationstherapie) und mit Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) behandelt worden waren. Sie wurden 2 : 1 randomisiert und erhielten dann entweder Tucatinib oder Placebo, jeweils in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin.
Progressionsrisiko relevant vermindert, Gesamtüberleben verlängert
Für die Patientinnen im Tucatinib-Arm, zeigte sich im Vergleich zu denen, die nur Trastuzumab und Capecitabin erhalten hatten, ein um 46 % verringertes Risiko für Erkrankungsprogression oder Mortalität (PFS, primärer Endpunkt; HR 0,54; p < 0,00001). Außerdem wiesen die Patientinnen im Tucatinib-Arm einen signifikanten Gesamtüberlebensvorteil auf, mit einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um 34 % gegenüber dem Kontrollarm (HR 0,66; p = 0,0048) [3]. Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen, die bei mindestens 20 % der mit Tucatinib behandelten Frauen auftraten, zählten Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis, erhöhte AST- und ALT-Werte sowie Hautausschlag [3].
„Diese Zulassung ist ein bedeutender Fortschritt für Patientinnen in Europa. Erstmals können sie mit einem zugelassenen Arzneimittel behandelt werden, das einen signifikanten Überlebensvorteil bei HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs mit Erkrankungsprogression nach zwei Standard-Anti-HER2-Behandlungsschemata gezeigt hat“, so Prof. Dr. Volkmar Müller, Hamburg-Eppendorf, Prüfarzt der Zulassungsstudie. „Bemerkenswert ist, dass in diese Studie auch Patientinnen mit Hirnmetastasen eingeschlossen worden waren und ein Ansprechen auf die Hirnmetastasen verzeichnet werden konnte." Patientinnen mit aktiven, unbehandelten oder fortgeschrittenen Hirnmetastasen seien bislang eine Population mit erheblichem ungedeckten therapeutischen Bedarf gewesen, kommentierte Müller.
Erfreulich sei auch das von der EMA bereits verfasste Zulassungslabel, das nur „nach zwei Vortherapien“ definiere und nicht „nach zwei Vortherapien in der metastasierten Situation“.
Dr. Annette Junker