Onkogene Punktmutationen des RET-Gens sind bei etwa 60 % der MTC-Patienten nachweisbar, beim familiären Karzinom sogar bei 90 %. Selpercatinib wirke gegen verschiedene RET-Alterationen einschließlich Fusionen, aktivierende Punktmutationen und erworbene Resistenzmutationen, so Spitzweg weiter. Der TKI bindet an die ATP-Bindungsstelle der RET-Kinase und verhindert so die Autoaktivierung von RET sowie die nachgeschaltete Signalübertragung.
RET-Inhibitor jetzt in der Erstlinie zugelassen
Die bisherige Zulassung von Selpercatinib (Retsevmo®) bezog sich auf Jugendliche und Erwachsene, die nach Behandlung mit Cabozantinib oder Vandetanib eine systemische Therapie benötigten, wie Prof. Christine Spitzweg, München, erläuterte. Die bedingte Zulassungserweiterung von Selpercatinib beruht auf einer weiteren Auswertung der Studie LIBRETTO-001 mit 142 Patient:innen ohne Vorbehandlung mit Vandetanib oder Cabozantinib. Davon waren 115 therapienaiv und 27 weitere mit anderen systemischen Medikamenten behandelt worden [1]. 93 % der Studienteilnehmer:innen hatten Meta-stasen, über 95 % einen ECOG-Performance-Status von 0 oder 1. Primärer Studienendpunkt war das objektive Ansprechen (ORR). Dies erreichten 83,5 % der 115 therapienaiven Patient:innen. Die mediane Ansprechdauer war nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 20,3 Monaten noch nicht erreicht. Dies traf auch für das progressionsfreie Überleben (PFS) nach median 23,9 Monaten zu. Zwei Jahre nach Therapiestart waren 94,7 % der therapienaiven Patient:innen noch am Leben. Nach 24 Monaten zeigten 84,5 % ein anhaltendes Ansprechen auf die Behandlung mit dem TKI.
Auch bei bereits vorhandener Fernmetastasierung bleibe das MTC lange Zeit eine stabile Erkrankung, sagte PD Dr. Gudrun Leidig-Bruckner, Heidelberg. Möglich sei eine Watch-and-Wait-Strategie, bei der die Patient:innen sorgfältig mit Kontrollen der krankheitsspezifischen Marker begleitet werden sollten. Im Fall einer Progression sind lokale Maßnahmen wie eine wiederholte Operation oder eine Bestrahlung zu erwägen. Eine TKI-Behandlung sei bei einer RET-Mutation indiziert, wenn die Metastasen um über 20 % jährlich zunehmen und die Tumormarker eine Verdopplungszeit von weniger als sechs Monaten aufweisen. Außerdem seien Symptome wie Diarrhö, Gewichtsabnahme und lokale Beschwerden zu berücksichtigen. Der alleinige Nachweis von Metastasen oder erhöhte Calcitoninwerte reichten nicht aus.
Dr. Ralph Hausmann