Das maligne Melanom in den Stadien IIB und IIC ist laut Dr. Peter Mohr, Buxtehude, hochgefährlich, was sich auch in aktuellen Daten des Deutschen Melanomregisters gezeigt hat [1]: „Ungefähr 20 bis 30 % der Betroffenen versterben ohne Therapie nach zehn Jahren im Stadium IIB und circa 35 bis 40 % im Stadium IIC“, fasste er zusammen. Im Stadium II liegen noch keine Lymphknotenmetastasen vor, die primären Melanome sind aber relativ dick: Im Stadium IIB beträgt die Dicke mehr als 2–4 mm mit Ulzeration oder über 4 mm ohne Ulzeration. Ist der Tumor über 4 mm dick und ulzeriert, handelt es sich um das Tumorstadium IIC. „Je größer die Eindringtiefe des Tumors, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass unter Umgehung des lymphogenen Weges direkt eine hämatogene Metastasierung eintreten kann“, erläuterte Prof. Ralf Gutzmer, Minden. Das bedeutet: „Die Patientinnen und Patienten sind bei der Erstdiagnose zwar noch im Stadium II, haben aber trotzdem ein hohes Risiko, Fernmetastasen zu bekommen und daran zu versterben“, sagte Gutzmer. Mit der adjuvanten Therapie mit dem PD-1-Antikörper Pembrolizumab (Keytruda®) werde das Risiko für Rezidive (Hazard Ratio [HR] 0,64; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,50–0,84) und für Fernmetastasen (HR 0,64; 95%-KI 0,47–0,88; p = 0,0029) um je 36 % im Vergleich zu Placebo vermindert. Dies zeigten die Ergebnisse eines Follow-ups der zulassungsrelevanten Studie KEYNOTE-716 mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von knapp 27 Monaten [2]. Unter der adjuvanten Therapie mit Pembrolizumab würden sich vor allen Dingen in der Lunge weniger Fernmetastasen bilden als unter Placebo (49 vs. 73 %), ergänzte Mohr.
Betroffene über Nebenwirkungen aufklären
Gegen diesen Nutzen der Therapie müssen laut Gutzmer allerdings auch die Risiken für jeden Einzelnen abgewogen werden. Denn nach den Daten des Deutschen Melanomregisters [1] würden circa 70–80 % der Erkrankten im Stadium IIB und ungefähr 60–65 % im Stadium IIC das Melanom auch ohne weitere Intervention zehn Jahre überleben. Das Sicherheits- und Nebenwirkungsprofil von Pembrolizumab ist bereits aus früheren Studien bekannt. Aufgrund von therapiebedingten Autoimmunerkrankungen benötigen 20,3 % der Betroffenen aus der KEYNOTE-716-Studie nun eine lebenslange Hormonersatztherapie im Vergleich zu 1,2 % in der Placebo-Gruppe. Wichtig sei es, die Patientinnen und Patienten über die Nebenwirkungen aufzuklären und insbesondere über die sehr selten auftretenden schwerwiegenden Ereignisse wie Myositis, Myasthenie, Myelitis oder Myokarditis. „Wenn sie auftreten, muss man schnell reagieren, denn sonst können auch Schäden zurückbleiben“, mahnte Gutzmer. Bezüglich der Lebensqualität seien allerdings keine statistisch signifikanten Nachteile unter der adjuvanten Therapie mit Pembrolizumab gegenüber Placebo nachweisbar gewesen, erläuterte Mohr.
NCCN-Guideline empfiehlt adjuvante PD-1-Inhibition
In der aktuellen US-amerikanischen NCCN-Guideline zum kutanen Melanom werde bereits empfohlen, Patientinnen und Patienten mit einem malignen Melanom in den Tumorstadien IIA oder IIB nach einer vollständigen Resektion und einem negativen Wächterlymphknoten die Therapie mit Pembrolizumab anzubieten [3], so Gutzmer. Er rechne damit, dass diese Empfehlung im Jahr 2023 auch in deutsche Leitlinien aufgenommen werde.
Sabrina Kempe