Bei bis zu 12 % der Patient:innen mit fortgeschrittenem NSCLC lassen sich Exon-20-Insertionsmutationen (Exon20ins) des EGFR nachweisen. Diese Treibermutationen erweisen sich in der Regel als resistent gegenüber Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI), erklärte Prof. Wolfgang Schütte, Halle/Saale. Entsprechend haben diese Patient:innen ein um 75 % höheres Mortalitätsrisiko. Der ungünstigen Prognose versuchte man bisher mit platinhaltigen Chemotherapien zu begegnen. Versagen diese, kann nun erstmals auf einen bispezifischen Antikörper zurückgegriffen werden. Amivantamab (Rybrevant®) bindet an die Ektodomänen von EGFR sowie an den mesenchymal-epithelialen Transitionsfaktor (MET) und hemmt so gezielt aberrante EGFR- und MET-Signalwege. Zeitgleich werden die sukzessive lysosomale Degradation beider Rezeptoren gefördert und zelluläre Immunreaktionen aktiviert. Dieser trimodale Wirkmechanismus ist ein neuer Ansatz, um das NSCLC effektiv zu behandeln.
Hohe Ansprechrate, gute Verträglichkeit
Die Zulassung der Monotherapie nach Versagen einer platinbasierten Behandlung wurde auf Grundlage der CHRYSALIS-Studie, einer multizentrischen, offenen Multikohorten-Phase-I/Ib-Studie, getroffen. Untersucht wurden 114 Patient:innen mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem NSCLC und aktivierenden EGFR-Exon20ins, deren Tumor während oder nach platinbasierter Chemotherapie fortgeschritten war. Bei der Wirksamkeitspopulation (n = 81) sprachen 40 % auf die neuartige Therapie an, mit einem medianen progressionsfreien Überleben von 8,3 Monaten sowie einem medianen Gesamtüberleben von 22,8 Monaten. Die antitumorale Aktivität ließ sich dabei über alle Subgruppen hinweg und in allen Insertionsregionen beobachten.
Die Verträglichkeit zeigte sich konsistent mit dem einer zielgerichteten Hemmung der EGFR- und MET-Signalwege und war gut handhabbar. Die bei monoklonalen Antikörpern häufig auftretenden infusionsbedingten Reaktionen, u. a. Schüttelfrost, Fieber, Übelkeit, Dyspnoe oder Kopfschmerzen, zeigten sich in der Regel ausschließlich während der ersten Infusion, waren überwiegend leichtgradig (Grad 1/2) und führten nur in 1,1 % der Fälle zu einem Therapieabbruch. Insgesamt sei die gezeigte Wirksamkeit mit einem gut handhabbaren Verträglichkeitsprofil bei dieser schwierigen Patientenklientel besonders positiv zu bewerten, so der Experte.
Mutationsnachweis mithilfe von NGS
Um die vielversprechende Therapie-option möglichst zeitnah einsetzen zu können, bedarf es des Nachweises von aktivierenden EGFR-Exon20ins.
Nationale und internationale Leitlinien empfehlen dieses Vorgehen bereits früh im Therapiemanagement, um die Behandlung zu unterstützen. Der Onkopedia-Leitlinie zufolge sollte die Diagnostik therapierelevanter Mutationen bei allen Patienten im Stadium IV vor Beginn einer medikamentösen Erstlinientherapie erfolgen. Auch das S3-Leitlinienprogramm legt eine molekularpathologische Untersuchung hinsichtlich aller therapeutisch relevanten molekularen Veränderungen nahe. Beide Leitlinien sprechen explizit die EGFR-Exon-18–21-Mutationen an. Allerdings sollte eine Methode gewählt werden, die innerhalb von zehn Tagen zu einer definitiven Diagnose kommt und sensitiv genug ist, um Mutationen auch in Geweben mit nur 10 % Tumoranteil nachweisen zu können.
Daher plädiert Prof. Frank Griesinger, Oldenburg, für Verfahren des NextGeneration Sequencing. Diese können eine breite Palette von Mutationen sowie Genfusionen nachweisen und detektieren alle Varianten ohne vorherige Kenntnisse bez. der DNA-Sequenz. So würden kommerzielle PCR-Tests lediglich ca. fünf verschiedene EGFR-Exon20ins erfassen, während es beim NGS mehr als 70 Varianten wären. Griesinger resümierte, dass nicht die molekulare Diagnostik, sondern die richtige molekulare Diagnostik von NSCLC-Patient:innen bezüglich genetischer Veränderungen entscheidend sei, um die bestmögliche zielgerichtete Therapie einleiten zu können.
Leoni Burggraf