Die Suche nach genetischen Markern gehört schon länger zum Standard in der Krebsdiagnostik. In Deutschland wird leitlinienkonform nur nach den Merkmalen gesucht, für die es eine therapeutische Konsequenz gibt, wie Prof. Frank Griesinger, Oldenburg, auf einer Veranstaltung des Unternehmens Bayer erläuterte. Mit Larotrectinib (Vitrakvi®) hat sich jetzt die molekulardiagnostische Palette erweitert, denn mit diesem Wirkstoff lassen sich die Produkte der NTRK-Genfusion blockieren und so das Tumorwachstum bremsen.
NTRK-Genfusionen bei allen Entitäten möglich
Die Gene dieser neurotrophen Tyrosin-Rezeptor-Kinasen (NTRK-Gen) fusionieren zwar nur selten mit einem anderen Gen, doch diese Fusionen können in nahezu allen soliden Tumoren auftreten. Ihr Produkt, die TRK-Fusionsproteine, wurde bisher bei mehr als 30 verschiedenen soliden Tumorarten nachgewiesen. Allerdings variiert die Wahrscheinlichkeit bei den Tumorentitäten. Am häufigsten treten NTRK-Fusionen bei seltenen Tumoren auf, wie dem infantilen Weichteilsarkom (über 80 % der Patienten weisen eine NTRK-Fusion auf). Aber auch bei häufigeren Entitäten wie dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) finden sich bei immerhin 1 % der Patienten NTRK-Fusionen. Angesichts der großen Patientenzahl – jährlich über 40.000 NSCLC-Neuerkrankungen in Deutschland – kommt aber auch hier eine große Zahl an Patienten zusammen, die von der TRK-Hemmung profitieren könnten.
Um keine Therapiechancen zu verschenken lohne es sich, bei den Tests auf molekulargenetische Signaturen außer den bekannten Tumortreibern, wie den Genen für EGFR, HER2/ERBB2, ALK, MET, ROS1, RAS und BRAF, auch nach den NTRK-Fusionsgenen zu suchen, äußerte Dr. Karsten Neumann, Dessau. Dabei sollte zunächst eine Immunhistochemie (IHC) auf die von den NTRK codierten TRK-Fusionsproteine erfolgen. Ist dieses Vorscreening positiv, kann das Vorliegen der NTRK-Fusionsgene mit weiteren Methoden wie der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) oder dem von Neumann präferierten Next Generation Sequencing (NGS) verifiziert werden. Um die gestaffelten Testverfahren auszuführen, sei allerdings Tumormaterial in ausreichender Menge/Qualität erforderlich. Darauf sollte bei der Biopsie geachtet werden, so der Molekularpathologe.
Präzisionsonkologie lohnt sich
Wie sehr sich der Nachweis der NTRK-Fusionsgene lohnt, berichtete Prof. Gerald Prager, Wien. Denn mit Larotrectinib lassen sich die Signale der TRK-Fusionsproteine A, B und C effektiv hemmen − unabhängig von der Tumor-entität und -lokalisation. Wie stark dadurch das Tumorwachstum eingedämmt wird, verdeutlichte Prager anhand aktueller Studiendaten:
Die Ergebnisse einer gepoolten Analyse aus drei klinischen Studien der Phasen I und II mit insgesamt 159 Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung verschiedener Entitäten sind [1]:
• objektive Ansprechrate (ORR): 79 %, unabhängig von der Art des Tumors
• mediane Zeit bis zum Ansprechen: 1,8 Monate
• Ansprechdauer: 35,2 Monate
• medianes Gesamtüberleben (mOS): 44,4 Monate
• medianes progressionsfreies Überleben (mPFS): 28,3 Monate
• Gute Verträglichkeit: Nebenwirkungen vom Grad 3 und 4 selten
Die Daten wurden noch nach einem weiteren Gesichtspunkt aufgeschlüsselt: dem Wachstumsmodulationsindex (GMI). Dieser gibt das Verhältnis zwischen der PFS-Zeit unter Larotrectinib und der Zeit bis zur Progression (TTP) unter der letzten vorangegangenen Therapie an. Damit trugen die Untersucher dem Umstand Rechnung, dass normalerweise bei Krebspatienten mit jeder weiteren Therapielinie die progressionsfreie Zeit kürzer wird. Und 47 % der mit Larotrectinib behandelten Patienten dieser Studie hatten mindestens zwei Vortherapien.
Insgesamt erreichten 66 % der Patienten einen GMI von mehr als 1,33, d. h. die Zeit, bis der Tumor wieder wuchs, war unter Larotrectinib um mindestens ein Drittel länger als unter der Vortherapie. Bei 60 % der Patienten betrug der GMI sogar > 2 [2].
Dr. Andreas Häckel