Seit Jahrzehnten ist die platinbasierte Chemotherapie Erstlinienstandard beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten UC (la/mUC) – in jüngster Zeit ergänzt durch eine Erhaltungstherapie mit Avelumab im Fall des Ansprechens auf die Erstlinienbehandlung. Bei Cisplatin-unfitten Erkrankten kann alternativ Carboplatin eingesetzt werden; im Falle eines positiven PD-L1-Status ist auch eine Erstlinientherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor (CPI) möglich.
Beim ESMO-Kongress 2023 waren bereits die praxisverändernden primären Daten der Phase-III-Studie KEYNOTE-A39/EV-302 vorgestellt worden. Darin war das ADC Enfortumab vedotin (EV) zusammen mit Pembrolizumab (P) bei unbehandelten Erkrankten mit la/mUC gegen eine platinbasierte Chemotherapie getestet wurde.
EV besteht aus einem gegen Nectin-4 gerichteten monoklonalen Antikörper, der an den mikrotubulusstörenden Wirkstoff Monomethyl Auristatin E (MMAE) gebunden ist. Nach einem medianen Follow-up von 17,2 Monaten hatte EV+P gegenüber Chemotherapie sowohl das progressionsfreie Überleben (PFS; median 12,5 vs. 6,3 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,45; p < 0,0001) als auch das Gesamtüberleben (OS; median 31,5 vs. 16,1 Monate; HR 0,47; p < 0,0001) signifikant und klinisch relevant verbessert [1].
Alle Subgruppen profitieren gleichermaßen von ADC plus Immuntherapie
Beim ASCO-GU 2024 wurden die Subgruppenanalysen dieser wichtigen Studie vorgestellt, die ebenso überzeugend waren wie die Primäranalyse. Wie Dr. Michiel S. van der Heijden, Amsterdam, Niederlande, berichtete, bewährte sich die neue Kombination in einer breiten Population von zuvor unbehandelten Erkrankten mit la/mUC. So war der PFS-Vorteil unter der Kombination im Vergleich zur Chemotherapie unabhängig davon, ob Lebermetastasen vorlagen oder nicht (HR 0,53; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,38–0,76 bzw. HR 0,43; 95%-KI 0,35–0,52), ob die Erkrankung nur auf Lymphknoten beschränkt war (HR 0,40; 95%-KI 0,26–0,62) oder ob viszerale Metastasen vorlagen (HR 0,45; 95%-KI 0,37–0,55). Ähnliches galt für den OS-Vorteil (mit/ohne Lebermetastasen: HR jeweils 0,47; nur Lymphknoten befallen: HR 0,46; viszerale Metastasen: HR 0,47) [2].
Dr. Parminder Singh, Phoenix, AZ/USA, der das Abstract diskutierte, nannte die präsentierten Ergebnisse „game-changing“. Allerdings seien – wie bei jedem innovativen Regime – neue Toxizitäten zu bewältigen. In diesem Fall beträfen Nebenwirkungen ab Grad 3 vor allem makulopapulöse Exantheme bei 7,7 % und periphere sensorische Neuropathie bei 3,6 % der Behandelten. Ein weiterer Wermutstropfen sei der hohe Preis der Kombination.
Enfortumab vedotin auch nach Avelumab-Erhaltung?
Bereits zugelassen ist EV bei Erkrankten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem UC, die zuvor eine platinhaltige Chemotherapie und einen gegen PD-(L)1 gerichteten Checkpoint-Inhibitor erhalten haben – basierend auf der Phase-III-Studie EV-301 [3].
In der beim ASCO-GU 2024 präsentierten multizentrischen, retrospektiven UNITE-Studie wurde der Einsatz des ADC als Monotherapie bei 663 Patienten untersucht, die zuvor eine platinbasierte Chemotherapie gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Avelumab erhalten hatten. Mit dieser sequenziellen Behandlung wurden laut der Studienleiterin Dr. Amanda Nizam, Cleveland, OH/USA, höhere objektive Ansprechraten (54 %), aber insgesamt ein ähnliches medianes PFS (7,0 Monate) und OS (13,3 Monate) dokumentiert wie bei den platin- und PD(L)1-refraktären Studienteilnehmenden der EV-301-Studie. Die Ergebnisse waren unabhängig von der Art der verwendeten platinbasierten Therapie, dem besten Ansprechen auf Platin und der Dauer der Avelumab-Therapie, doch Erkrankte mit einem Bellmunt-Risiko-Score von 0–1 profitierten deutlich mehr von der Behandlung als jene mit einem Risiko-Score von 2–3 (medianes PFS 12,7 vs. 5,3 Monate; medianes OS 16,6 vs. 10,1 Monate) [4]. Nach Nizams Ansicht unterstützen diese Daten den Einsatz von EV als Folgetherapie nach einer Erhaltungstherapie mit Avelumab, doch müsse dies noch in größeren Kohorten bestätigt werden.
In einer weiteren Studie auf Phase-I-Niveau wurde die Kombination von EV mit dem antiangiogen wirksamen Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Cabozantinib geprüft. Eingeschlossen wurden sechs Erkrankte mit mUC, die eine platinbasierte Chemotherapie erhalten hatten oder dafür ungeeignet waren und zudem mit CPI behandelt worden waren. Alle sechs Patienten erreichten ein partielles Ansprechen mit einer medianen Reduktion der Target-Läsionen von 49,7 %, bei einer medianen Ansprechdauer von 4,6 Monaten [5]. Laut Dr. Jacqueline Brown, Atlanta, GA/USA, war das Nebenwirkungsprofil handhabbar. 20 mg Cabozantinib täglich plus EV in Standarddosierung wurden für die weiteren Phasen der Studie ausgewählt.