Neoadjuvante Immun- plus Chemotherapie
Das in China entwickelte Camrelizumab, ein PD-1-Inhibitor, der bisher keine Zulassung durch die EMA oder die FDA erhalten hat, konnte in der randomisierten Phase-III-Studie ESCORT-NEO als zusätzliche neoadjuvante Gabe zu einer Chemotherapie die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem ESCC erhöhen [1]. In drei Studienarmen erhielten insgesamt 391 Erkrankte neoadjuvant Camrelizumab plus nab-Paclitaxel plus Cisplatin (Cam+nab-TP) oder Camrelizumab plus Paclitaxel plus Cisplatin (Cam+TP) oder Paclitaxel plus Cisplatin (TP). Die Teilnehmenden in den beiden Camrelizumab-Armen bekamen zudem nach der Operation bis zu 15 Zyklen Camrelizumab, Patienten im TP-Kontrollarm wurden beobachtet. Es konnten 129 versus 125 versus 122 der Behandelten in den drei Studienarmen die neoadjuvante Therapie komplettieren; 86,4 % (114/132), 89,2 % (116/130) und 79,8 % (103/129) wurden operiert.
Der koprimäre Studienendpunkt pCR wurde erreicht. Sowohl mit dem Cam+nab-TP- als auch mit dem Cam-TP-Regime wurde eine signifikant höhere pCR-Rate im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie beobachtet (28,0 vs. 15,4 vs. 4,7 %). Die Odds Ratio im Vergleich zu TP lag mit Cam+nab-TP bei 8,11 (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 3,28–20,06; p < 0,0001) und mit Cam+TP bei 3,81 (95%-KI 1,48–9,80; p = 0,0034). Die Dauer der Operation war mit 4,2 bis 4,3 Stunden für alle Studienmedikationen vergleichbar. 99,1, 95,7 und 92,2 % der Patienten konnten R0-reseziert werden. Die Mortalität innerhalb von 30 Tagen (0,9 vs. 1,7 vs. 1,0 %) und innerhalb von 90 Tagen (1,8 vs. 1,7 vs. 1,0 %) war in allen drei Studienarmen niedrig. Komplikationen während der Operation traten bei 34,2 versus 38,8 versus 32,0 % der Erkrankten auf, Komplikationen vom Grad ≥ 3 bei 6,1 versus 12,1 versus 6,8 %. Präoperativ wurden klinisch relevante Toxizitäten bei 7,6 versus 9,2 versus 5,6 % der Behandelten berichtet. Immunvermittelte Nebenwirkungen zeigten 27,3 versus 24,6 % der Patienten unter den beiden Camrelizumab-Regimen, vom Grad ≥ 3 waren 4,5 versus 3,8 % der immunvermittelten Toxizitäten.
Die Ergebnisse bezüglich des zweiten primären Endpunkts ereignisfreies Überleben (EFS) und des sekundären Endpunkts Gesamtüberleben (OS) waren noch unreif. Dennoch schlossen die Autoren, dass die neoadjuvante Gabe von Camrelizumab plus Chemotherapie potenziell eine Standardoption in der Behandlung des ESCC werden könnte.
Kombinationstherapien für die erste Therapielinie
In der ersten Therapielinie hat sich die Kombination von Checkpoint-Inhibitoren und Chemotherapie bereits bewährt. Die Ergebnisse der placebokontrollierten, randomisierten Phase-III-Studie KEYNOTE-590 zeigten einen Überlebensvorteil für Ösophaguskarzinompatienten, wenn Pembrolizumab zusätzlich zur Chemotherapie gegeben wurde. Beim ASCO-GI 2024 wurden sowohl die 5-Jahres-Daten der Studie als auch eine Subgruppenauswertung für das ESCC präsentiert [2]. Für die Intention-to-treat(ITT)-Population (n = 652) betrug das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) 6,3 versus 5,8 Monate (Hazard Ratio [HR] 0,64; 95%-KI 0,54–0,75). Nach 60 Monaten lebten noch 5,5 % der Patienten ohne Progress, aber kein Patient des Placeboarms. Das OS betrug im Median 12,3 versus 9,8 Monate (HR 0,72; 95%-KI 0,62–0,84), mit einer 60-Monats-Rate von 10,6 versus 3,0 %. Die Ergebnisse für die ESCC-Population (n = 548) waren vergleichbar mit der ITT-Population: Im Median lag das PFS bei 6,3 versus 5,8 Monaten (HR 0,65; 95%-KI 0,54–0,78) und das OS bei 12,6 versus 9,8 Monaten (HR 0,71; 95%-KI 0,60–0,85). Nach 60 Monaten lebten noch 6,7 versus 0,0 % der Patienten ohne Progress, und 11,8 versus 3,4 % waren noch am Leben. Es sprachen 43,8 versus 31,0 % der ESCC-Population auf Pembrolizumab plus Chemotherapie beziehungsweise Placebo plus Chemotherapie an; Patienten mit einer Positivität für PD-L1 („combined positive score“ [CPS] ≥ 10) hatten ein Ansprechen in 51,1 versus 28,0 % der Fälle. Die Dauer des Ansprechens lag bei 9,1 versus 6,1 (ESCC) beziehungsweise 10,4 versus 4,4 Monaten (ESCC/CPS ≥ 10).
Auch für den PD-1-Inhibitor Nivolumab in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen ESCC wurden beim ASCO-GI neue Daten gezeigt [3, 4]. Insgesamt 970 Studienteilnehmende erhielten in der dreiarmigen Phase-III-Studie CheckMate 648 Nivolumab plus Ipilimumab, Nivolumab plus Chemotherapie oder die alleinige Chemotherapie. Es wurde für die beiden Nivolumab-haltigen Studienarme eine Verlängerung des OS gegenüber der Chemotherapie sowie eine erhaltene Lebensqualität gezeigt. In einer aktuellen Auswertung wurde die angepasste Qualität der Zeit ohne Symptome und Toxizität verglichen („quality-adjusted time without symptoms and toxicity“; Q-TWiST) [3]. Dazu wurde das OS aufgeteilt in die Zeit, in der eine Toxizität beobachtet wurde, in die Zeit zwischen Tumorprogress und Versterben sowie in die Zeit ohne Symptome oder Toxizität (TWiST). Ein Unterschied von > 1,1 Monaten zwischen den drei Qualitätsgruppen wurde als klinisch relevant definiert. Im Ergebnis zeigten Patienten im Nivolumab-plus-Chemotherapie-Arm eine etwas längere Zeit mit Toxizität (1,4 Monate) im Vergleich zu Nivolumab plus Ipilimumab (1,0 Monate) und Chemotherapie (0,9 Monate), aber auch die längste TWiST (8,0 vs. 6,6 vs. 5,8 Monate). Die Zeit zwischen Tumorprogress und Versterben lag in den drei Studienarmen bei 7,5 Monaten (Nivolumab plus Chemotherapie), 9,0 Monaten (Nivolumab plus Ipilimumab) und 7,3 Monaten (Chemotherapie). Mit einem Unterschied von 1,7 beziehungsweise 1,3 Monaten zeigte sich ein relevanter Unterschied der Q-TWiST im Vergleich von Nivolumab plus Chemotherapie wie auch Nivolumab plus Ipilimumab gegenüber der alleinigen Chemotherapie.
In einer explorativen Biomarkeranalyse konnte festgestellt werden, dass der OS-Vorteil der Nivolumab-haltigen Regime gegenüber der alleinigen Chemotherapie unabhängig von den (meisten) selektierten Genalterationen bestand [4]. Höhere Entzündungswerte und niedrigere β-Catenin-GES(„gene expression signatures“)-Werte waren mit einem höheren Nutzen beider Nivolumab-Regime assoziiert, niedrigere stromale GES-Werte mit einem verbesserten Nutzen von Nivolumab plus Ipilimumab gegenüber der Chemotherapie. Der Biomarker Tumormutationslast (TMB) konnte aufgrund der geringen Patientenzahl nicht bewertet werden. Insgesamt müsse die klinische Aussagekraft der Marker in prospektiven Studien validiert werden, bemerkten die Studienautoren.
Synergistische Therapie mit neuem Checkpoint
Eine innovative Kombination für die Behandlung des ESCC besteht aus Tiragolumab plus Atezolizumab plus Chemotherapie. Tiragolumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an den Rezeptor TIGIT auf T-Zellen und natürlichen Killerzellen bindet und damit die immunsupprimierende Interaktion mit dem Protein PVR blockiert (Abb. 1).