Etwa 60 % der Patient:innen mit metastasierten HER2-negativen Mammakarzinomen produzieren niedrige HER2-Spiegel, was bei der Behandlung bisher nicht berücksichtigt wurde. HER2-low wird definiert als ein Score von 1+ in der immunhistochemischen Analyse (IHC) oder als ein Score von 2+ und einem negativen Ergebnis bei der In-situ-Hybridisierung (ISH). Im Gegensatz zu anderen, gegen HER2 gerichteten Wirkstoffen ist T-DXd (Enhertu®) in der Lage, auch Zellen mit niedrigen HER2-Spiegeln anzugreifen.
Innovativer Wirkmechanismus
Das Konjugat besteht aus dem monoklonalen, gegen HER2 gerichteten Antikörper Trastuzumab sowie dem zytostatisch wirksamen Exatecan-Derivat Deruxtecan als „Payload“. Nachdem das Konjugat an den HER2-Rezeptor auf der Zelloberfläche gebunden hat, wird es in die Tumorzelle aufgenommen. Dort wird das Zytostatikum im Zytoplasma freigesetzt, was zur Apoptose der Tumorzellen führt.
Aufgrund der hohen Membrandurchlässigkeit von Deruxtecan werden auch benachbarte Zellen abgetötet („Bystander-Effekt“).
Studiendaten belegen Wirksamkeit
In der offenen, randomisierten Studie DESTINY-Breast04 erhielten 494 vorbehandelte Patient:innen mit hormonrezeptorpositiver und 63 mit hormonrezeptor-negativer Erkrankung und mit metastasiertem HER2-low-Brustkrebs im Verhältnis 2:1 entweder T-DXd oder eine Chemotherapie nach Wahl der behandelnden Ärzt-innen und Ärzte. Eingesetzt wurden Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin, Paclitaxel und nab-Paclitaxel. Der primäre Endpunkt war als progressionsfreies Überleben (PFS) in der Hormonrezeptor-positiven Gruppe definiert. Sekundäre Endpunkte umfassten das PFS bei allen Studienteilnehmer:innen sowie das Gesamtüberleben (OS).
Neue Kategorie in der Brustkrebsdiagnostik
Das mediane PFS fiel in der Hormonrezeptor-positiven und -negativen Population ähnlich aus und lag bei allen Patient:innen bei 9,9 Monaten in der T-DXd- und bei 5,1 Monaten in der Chemotherapiegruppe; das OS bei 23,4 gegenüber 16,8 Monaten in der Kontrollgruppe. Somit reduzierte das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat das Risiko einer Krankheitsprogression signifikant um die Hälfte, betonte Prof. Andreas Schneeweiss, Heidelberg. Die Behandlung führte auch zu einer 36%igen Verringerung des Sterberisikos gegenüber der Chemotherapie. Die objektive Ansprechrate unter der Therapie mit T-DXd lag bei ca. 50 % und unter der Chemotherapie bei etwa 16 %.
Lebensqualität nicht negativ beeinflusst
Wie Schneeweiss weiter ausführte, ist T-DXd eine effektive Substanz auf Kosten einer klinisch tolerablen Zunahme der Toxizität – ohne negativen Einfluss auf die Lebensqualität. Das Konjugat ist die erste gegen HER2 gerichtete Therapie, die eine gesteigerte Wirksamkeit beim fortgeschrittenen HER2-low-Brustkrebs gezeigt hat. Damit wird durch die Studie DESTINY-Breast04 ein neuer Standard etabliert, von dem potentiell etwa die Hälfte aller Patient:innen mit metastasiertem Brustkrebs profitieren könnte.
Testung mit herkömmlichen Assays
Zur Testung auf HER2-low können alle Gewebe aus Biopsien, Resektionspräparaten, Metastasen sowie aus archiviertem Frischgewebe möglichst aus den vergangenen 10 Jahren herangezogen werden. Mit HER2-low wird eine neue Kategorie in die Brustkrebsdiagnostik eingeführt, sagte Prof. Hans-Ulrich Schildhaus, Kassel. Patient:innen mit HER2-low-Status können auch durch bereits vorhandene HER2-Assays identifiziert werden. Eine HER2-Diagnostik mit IHC und gegebenenfalls mit ISH gilt als Standard bei jeder Erstdiagnose von Brustkrebs. Auch für neu aufgetretene Metastasen wird eine Testung empfohlen.
Die Diagnostik sollte mit einem validierten Test vorgenommen werden, betonte Schildhaus. Dabei werde sichergestellt, dass die immunhistochemische Färbung und die pathologische Bewertung mit dem Standard aus klinischen Studien vergleichbar sind. Zu diesem Zweck wurden nationale und internationale Ringversuche zur HER2-Diagnostik etabliert. Im Ergebnis weisen über 80 % der teilnehmenden Institute gute bis sehr gute Färbeergebnisse auf, schloss Schildhaus.
Dr. Ralph Hausmann