Legionellen – ein unterschätztes Risiko

Mikrobiologie und Hygiene

Legionellen können schwere, im Krankenhaus auch tödlich verlaufende Pneumonien auslösen. Durch eine Verschärfung der Trinkwasserverordnung sind Betreiber gewerblich genutzter Anlagen – zum Beispiel Krankenhäuser oder Vermieter von Mehrfamilienhäusern – zu regelmäßigen Untersuchungen auf Legionellen verpflichtet.

Schlüsselwörter: Legionella pneumophila, Trinkwasserverordnung

Seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes vor über 15 Jahren[1] ist der Labornachweis von Legionellen aus Patientenproben (§7) meldepflichtig, sodass inzwischen ein guter Überblick über die Inzidenzen von Legionellosen in der BRD existiert: Von 2001 bis 2013 wurden dem RKI insgesamt 6.675 Nachweise – also rund 500 pro Jahr oder 0,9 Fälle pro 100.000 Einwohner – gemeldet[2], in den Jahren 2014 und 2015 waren es jeweils fast 900[3].

Laut CAP-Netz-Angaben muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer hoch ist und in der BRD alleine 20.000–30.000 Legionellen-Infektionen pro Jahr auftreten. Dies entspräche einem Anteil von ca. 4% an allen ambulant erworbenen Pneumonien (ca. 500.000–800.000 pro Jahr)[4]. Im eigenen CAP-Patientengut lag der Anteil an positiven Legionellen-Antigennachweisen (Urin-Test) allerdings nur bei etwa 0,7%. Diese diskrepanten Ergebnisse zur Inzidenz erklären sich vermutlich aus den relativ komplexen Übertragungswegen (siehe unten).

Die Legionellose ist eher eine Erkrankung der wärmeren Jahreszeit, weshalb die meisten Meldungen im dritten Quartal eines Jahres erfolgen. Deutlich höhere Inzidenzen als in Deutschland (bis 4%) gibt es beispielsweise in Slowenien, Spanien, Frankreich und den Niederlanden. Anfang 2017 wurde gemeldet, dass Legionellosen im Zusammenhang mit Hotel-Reisen in die Arabischen Emirate vermehrt aufgetreten sind[5]. Die meisten Legionellennachweise gab es jedoch nach Reisen in Länder der Mittelmeeranrainer.

Klinik

Die Legionellose tritt nach einer Inkubationszeit von zwei bis zehn Tagen (abhängig von Infektionsdosis und Grunderkrankungen) meist als fieberhafte, atypische Pneumonie auf. Häufig sind die Patienten über 60 Jahre alt (> 75% der Fälle), männlich (Verhältnis Männer zu Frauen: 2 : 1), haben strukturelle Vorerkrankungen der Lunge oder sind immunsupprimiert; Erkrankungen bei Personen unter 30 Jahren sind eine Rarität.

Die meisten gemeldeten Infektionen werden im beruflichen oder privaten Umfeld erworben, nur knapp 3% im Krankenhaus. Diese Fälle sind jedoch klinisch höchst relevant, da ihre Letalität mit rund 17% besonders hoch ist (Abb. 1).

Infektionsquellen

In geringen Konzentrationen können Legionellen im Grundwasser nachgewiesen werden. Von epidemiologischer und humanmedizinischer Bedeutung ist die Tatsache, dass sie sich fast ausschließlich in Biofilmen vermehren, die sich in großer Zahl in verzweigten Rohrleitungssystemen finden. Vor allem Warmwasserleitungen sind betroffen, denn das Temperaturoptimum liegt bei 25 bis 45 °C. In kaltem Wasser vermehren sie sich kaum. Die Thermostabilität der Legio­nellen reicht bis 50 °C, erst darüber beginnen sie abzusterben; ein Erhitzen über 60 °C tötet sie in Sekunden.

Legionella pneumophila ist genetisch außerordentlich heterogen: In der Europäischen Datenbank für Legionellen sind über 1.000 Sequenztypen registriert. Die sechs häufigsten von ihnen sind für über 50% der Erkrankungen in Europa (mit großen regionalen Unterschieden) verantwortlich.

Legionellen werden praktisch ausschließlich aus der unbelebten Umwelt auf den Menschen übertragen[6]; eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bislang nur einmal beschrieben[7]. Diese Beobachtung unterstützt die Hypothese, dass die Keime nicht frei, sondern vorwiegend durch Biofilm-assoziierte Amöben übertragen werden. Ein einziger dieser etwa einen halben Millimeter großen Einzeller kann mehrere hundert Bakterien enthalten, deren Virulenz in diesem Milieu offenbar erheblich zunimmt.

 

Nachweismethoden

Nur etwa 1% der exponierten Personen erkrankt bei Legionellen-Epidemien tatsächlich, denn Amöben­partikel sind in Aerosolen höchst ungleichmäßig verteilt. Deshalb ist auch eine Abschätzung des Infektionsrisikos aus der Legionellen-Keimzahl im Wasser nicht möglich. Detektionssysteme für legionellenhaltige Amöbenpartikel, die eine bessere Abschätzung des Infektionsrisikos erlauben würden, sind zurzeit nicht verfügbar.

Bei Trinkwasseruntersuchungen wird die Anzucht von Legionellen laut DIN EN ISO 11731 aus einem definierten Wasservolumen verlangt (siehe nächste Seite), während der Nachweis bei Verdacht auf eine Legionellose nach der aktuellen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, des Kompetenznetzwerks CAPNETZ und anderer einschlägiger Institutionen[8] mit einem Antigentest aus Urin erfolgt (Tab. 1). Dieser wird in der Regel als Schnelltest (Lateral Flow Assay) eingesetzt und ist insbesondere bei Pneumonien unklarer Ursache indiziert.

Zwar weisen die derzeit im Markt befindlichen Immunoassays ausschließlich den Serotyp 1 nach, doch epidemiologische Daten des Robert-Koch Instituts belegen, dass diese Legionellengruppe mit 90% aller gemeldeten Fälle in der Regel der ursächliche Erreger ist. Die übrigen 10% verteilen sich auf insgesamt 14 verschiedene Serotypen, die aktuell nur mit molekularbiologischen Verfahren (PCR, Sequenzierung) differenziert werden können. Da dies in der Praxis meist zu aufwendig ist und auch nicht immer eindeutig gelingt, muss mit einer Dunkelziffer falsch negativer Resultate gerechnet werden. Dies ist vor allem für Krankenhäuser bedeutsam, da hier nur in der Hälfte aller Fälle Legionellen der Serogruppe 1 ursächlich verantwortlich sind.

Zur Verlaufsbeobachtung eignet sich die Antigentestung im Urin nicht, da manche Patienten nach abgeheilter Legionellose noch bis zu 12 Monate positiv sind[9].

Die Anzucht gilt eigentlich als Goldstandard, ist aber für die Diagnostik im Krankenhaus aufgrund von Störanfälligkeit und Dauer (Endbefund erst nach 10–14 Tagen) uninteressant. Wegen der größeren Empfindlichkeit haben laut RKI molekularbio­logische Verfahren in den letzten Jahren wegen höherer diagnostischer Sensitivität und Spezifität auf ca. 13% aller Nachweise zugenommen[10].

Legionellennachweis im Trinkwasser nach ISO 11731

Filtrationsverfahren: 10 bis 1000 ml werden filtriert (Porengröße 0,45 µm) und zur Beseitigung der Begleitflora 5 Min. mit Säure behandelt. Die gewaschene Filtermembran wird in eine Petrischale mit GVPC- oder BCYE-Agar gelegt.

Direktansatz: Je 0,5 ml Trinkwasser werden direkt in zwei Petrischalen mit GVPC- oder BCYE-Agar im Spatelverfahren ausplattiert.
Nach zehn Tagen Bebrütung bei 36 ± 2 °C werden die gewachsenen Kolonien gezählt. Der höhere Wert der beiden Ansätze wird als Endergebnis ausgegeben. Zur Bestätigung werden Einzelkolonien zwei Tage mit und ohne Cystein subkultiviert. Wenn auf dem cysteinfreien Agar keine Kolonien wachsen, handelt es sich um Legionellen.

 


Gesetzliche Vorschriften

Dem Risiko von Legionellen-Bio­filmen in Wasserleitungen hat der Gesetzgeber 2011 durch eine Verschärfung der Trinkwasserverordnung Rechnung getragen[11]. Seitdem ist jeder Betreiber einer gewerblich oder öffentlich genutzten Wasserversorgungsanlage einer bestimmten Größe (z. B. gemeinschaftlich genutzter Warmwasserboiler in einem Miet­objekt) verpflichtet, regelmäßige Überprüfungen des Trinkwassers auf Legionellen durchzuführen. Erhöhte Keimzahlen müssen dem Gesundheitsamt gemeldet und auch den Verbrauchern mitgeteilt werden; der Erfolg unmittelbarer Gegenmaßnahmen ist durch Nachbeprobungen zu dokumentieren (Tab. 2).

Längst nicht alle Vermieter sind sich dieser gesetzlichen Anforderungen zur regelmäßigen und umfassenden Trinkwasseranalyse bewusst. Bei einer Missachtung der Trinkwasserverordnung können Mieter mit guter Aussicht auf Erfolg Mietminderung geltend machen und ggf. Schadensersatz vom Vermieter einklagen.

Die Trinkwasseruntersuchung auf Legio­nellen muss von einem zertifizierten Probennehmer (mehrtägiger Kurs z. B. beim TÜV) durchgeführt werden. Dabei sind mindestens der Ausgang aus einem Warmwasserbereiter (Boiler), die am weitesten von einem Warmwasserbereiter entfernte Entnahmestelle und der Rücklauf bei einer Zirkulationsleitung zu berücksichtigen.


PD Dr. med. Andreas Ambrosch

Khs. Barmherzige Brüder Regensburg

Mitglied der Redaktion






Auszug aus der Leitlinie für ambulant erworbene Pneumonien[8]:

Bei allen wegen einer mittelschweren bis schweren Pneumonie hospitalisierten Patienten soll eine Erregerdiagnostik erfolgen. Diese soll umfassen:

1. mindestens zwei Blutkulturpärchen;

2. einen Urin-Antigentest auf Legio­nellen;

3. Sputum, das innerhalb von zwei bis vier Stunden für Gramfärbung und Kultur verarbeitet werden soll.