Immunthrombozytopenie (ITP): Leitliniengerecht und patientenorientiert behandeln
Die ITP ist eine seltene, erworbene Thrombozytopenie, die durch eine Autoimmunreaktion gegen Thrombozyten und Megakaryozyten verursacht wird und mit einem hohen Leidensdruck für Betroffene einhergeht. Blutungssymptome, aber auch Fatigue und emotionale Belastungen schränken die Lebensqualität der Patienten stark ein. Im Rahmen des Behandlungsmanagements gilt es, aktuelle Leitlinien zu beachten. Denen zufolge werden Kortikosteroide als Erstlinientherapie eingesetzt, während Thrombopoetin-Rezeptoragonisten (TPO-RA) wie Eltrombopag und Romiplostim eine etablierte Option in der Zweitlinie sind. Aber auch die Wünsche der Patienten sollten in die Therapieentscheidung eingehen.
Immunthrombozytopenie, ITP, Thrombozytopenie, Kortikosteroide, Eltrombopag, Romiplostim
Die Behandlung der ITP orientiert sich wesentlich an der klinischen Blutungsneigung, nicht unmittelbar an den Thrombozytenwerten, erklärte Prof. Axel Matzdorff, Schwedt, bei einem virtuellen Fachpresse-Workshop. „Auch bei sehr niedrigen Thrombozytenwerten ist es in Ordnung, nicht zu behandeln, solange der Patient nicht blutet“, so der Experte. Die im Oktober 2020 aktualisierten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) empfehlen bei therapiepflichtigen ITP-Patienten in der Erstlinie die zeitlich begrenzte Gabe von Kortikosteroiden, die mindestens 3 Wochen andauern, aber 6 Wochen nicht übersteigen sollte [1]. Deutlich längere Steroidtherapien bewirken aus Sicht der Leitlinien-autoren keine Verbesserung der Remissionsraten, können aber mit belastenden Nebenwirkungen einhergehen. In der zweiten Therapielinie wird die Gabe von TPO-RAs empfohlen, die mit weniger Nebenwirkungen behaftet sind als Steroide [1]. 15–30 % der Patienten erreichen unter TPO-RA stabile Werte > 50.000/μl. Alternativ kann eine Splenektomie in Betracht gezogen werden [1].
Steroide oft zu lange verabreicht
Real-World-Daten zeigen allerdings, dass Patienten im klinischen Alltag häufig zu lange Steroide erhalten, etwa eine Studie zur Behandlungsrealität in Deutschland der Jahre 1995–2014 [2]. „Steroide zogen sich hier wie ein roter Faden durch alle Therapielinien,“ kritisierte Matzdorff. Auch laut einer neueren Studie zum Behandlungsalltag in Deutschland 2016–2017 wird die ITP nach wie vor zu häufig und zu lange mit Steroiden behandelt [3].
Dass die Umstellung auf eine besser verträgliche Zweitlinientherapie häufig so spät erfolgt, liegt zum Teil an regulatorischen Vorgaben, die den Leitlinienempfehlungen widersprechen. Gemäß Zulassung kann der TPO-RA Eltrombopag ab dem 6. Monat gegeben werden. Zwei erst jüngst für die ITP-Therapie zugelassene Substanzen, der TPO-RA Avatrombopag und der Tyrosinkinase-Inhibitor Fostamatinib, können nur zur Behandlung der chronischen ITP eingesetzt werden, also erst ab einem Jahr nach Diagnosestellung. Gleiches galt für den seit 2009 zugelassenen TPO-RA Romiplostim. Anfang 2021 erfolgte allerdings eine Zulassungserweiterung für Romiplostim, sodass dieser TPO-RA bei erwachsenen ITP-Patienten nun unmittelbar nach Steroidversagen zum Einsatz kommen kann.
Claudia Schöllmann