EGFR-Ex20ins-mutiertes NSCLC: Hohes Ansprechen unter bispezifischem Antikörper
Im Dezember 2020 wurde bei der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA der Zulassungsantrag für den bispezifischen, vollhumanen IgG1-Antikörper Amivantamab zur Therapie von vorbehandelten, fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) mit Exon-20-Insertionsmutationen (Ex20ins) im Gen für den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) gestellt. Im Januar 2021 ging auch der Zulassungsantrag bei der Europäischen Zulassungsbehörde EMA ein, basierend auf den vielversprechenden Daten der Phase-Ib-Studie CHRYSALIS.
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Die Prognose von NSCLC-Patienten mit Exon-20-Insertionen im EGFR-Gen ist extrem schlecht“, erklärte Prof. Frank Griesinger vom Pius Hospital Oldenburg. Während Patienten mit klassischen Mutationen heute gut mit Drittgenerations-Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) behandelt werden könnten, seien die bisher zugelassenen TKI für Patienten mit
EGFR-Ex20ins-Mutation relativ insuffizient. Aus diesem Grund würden die Patienten bisher mit platinhaltiger Chemotherapie behandelt, sagte Griesinger. „Wir brauchen händeringend neue Medikamente, um diese Exon-20-Insertion zu überkommen“, forderte er.
Ein hoffnungsvoller Kandidat ist laut Griesinger der Antikörper Amivantamab, der bispezifisch sowohl an EGFR-Moleküle mit klassischen und Exon-20-Insertionsmutationen als auch an das Protein cMET bindet, bei dem Resistenzmechanismen wie die MET-Amplifikation nach TKI-Therapie beobachtet werden. Darüber hinaus induziere der Antikörper einen außergewöhnlichen Mechanismus, die Trogozytose, welche die Übertragung von Plasmamembranfragmenten beinhaltet und durch Internalisierung von Zellbestandteilen wie Rezeptoren den Zelluntergang bewirkt.
Auf der World Conference of Lung Cancer (WCLC) 2020 wurde kürzlich die finale Analyse der Phase-Ib-Studie CHRYSALIS für platinvorbehandelte Patienten mit fortgeschrittenen/metastasierten NSCLC und EGFR-Ex20ins-Mutation präsentiert [1]. Nach einer Nachbeobachtung von im Median 9,7 Monaten betrug die Gesamtansprechrate für die 81 Patienten in der Post-Platin-Kohorte 40 % (95%-KI 29–51) mit einer medianen Ansprechdauer von 11,1 Monaten (95%-KI 6,9–nicht erreicht). Die Ansprechraten von TKI liegen laut Griesinger im Vergleich dazu im Bereich von 15 bis maximal 23 %. Die Krankheitskontrollrate betrug 74 % (95%-KI 63–83). „Für einen Antikörper in dieser Indikation ein extrem gutes Signal“, wertete Griesinger. Therapieassoziierte Nebenwirkungen von Grad ≥ 3 traten bei 16 % der Patienten auf, aber nur 4 % brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. „Der Antikörper hat ein tolerables Sicherheitsprofil“, konstatierte Griesinger. 94 % aller infusionsbedingten Reaktionen kamen bei der Erstgabe vor.
Alle NSCLC-Patienten mit NGS testen Griesinger forderte, alle NSCLC-Patienten unabhängig vom Raucherstatus auf EGFR-Mutationen zu testen. Um möglichst viele Exon-20-Insertionen zu detektieren, müsse allerdings unbedingt mit einer Hybrid-Capture-Technologie, einer Variante des Next Generation Sequencing (NGS), getestet werden. Weiter untersucht wird Amivantamab zurzeit in den Studien Papillon, Mariposa und CHRYSALIS-2.
Sabrina Kempe