Bei rund 1–2 % aller nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome (NSCLC) liegen aktivierende Genfusionen der Tyrosinkinase RET vor [2]. Mit Selpercatinib (Retsevmo®) steht nun erstmals ein hochselektiver Inhibitor von RET zur Verfügung, der die tumorfördernde Aktivität dieser Alterationen spezifisch hemmt [1].
Wie Prof. Christian Grohé, Berlin, berichtete, ist Selpercatinib ein „hochselektiver und potenter RET-Inhibitor“ mit einer in Dosiseskalationsstudien belegten starken Hemmwirkung gegenüber RET. „Mit Selpercatinib wird RET zum
therapeutischen Target“, so der Berliner Pneumologe.
Hohe Ansprechrate ...
Die Zulassung beim NSCLC beruht auf den Ergebnissen der Phase-I/II-Studie LIBRETTO-001, in der die Wirksamkeit und Verträglichkeit bei RET-bedingten Tumoren geprüft wurde – darunter 105 Patienten mit fortgeschrittenem RET-Fusions-positivem NSCLC, die zuvor neben einer platinbasierten Chemotherapie (100 %) oft auch Checkpoint-Inhibitoren (55 %) und/oder Multikinase-Hemmer (48 %) erhalten hatten [3]. Die Patienten wurden zweimal täglich mit 160 mg Selpercatinib behandelt; primärer Stu-dienendpunkt war die objektive Ansprechrate (ORR) nach RECIST-1.1-Kriterien.
Unter dem Einfluss des RET-Inhibitors wurde eine ORR von 64 % mit 2 % kompletten und 62 % partiellen Remissionen erreicht, die laut Grohé unabhängig von der Zahl der Vortherapien oder der Art des RET-Fusionspartners war. Die mediane Ansprechdauer betrug 17,5 Monate. Wie Grohé betonte, lebten nach einem Jahr noch 66 % der Patienten progressionsfrei. Zudem erwies sich Selpercatinib auch bei Hirnmetastasen als wirksam. Die ORR im ZNS betrug 87 % bei einer medianen Ansprechdauer von 9,36 Monaten.
... und günstiges Nebenwirkungsprofil
Selpercatinib zeigte in der Studie LIBRETTO-001 ein recht gut handhabbares Nebenwirkungsprofil. Häufigste therapieassoziierte Nebenwirkungen ab Grad 3 waren Hypertension (19,4 %) sowie erhöhte Werte der Alanin- und der Aspartat-Aminotransferase (10,6 % bzw. 9 %), die durch Dosismodifikationen meist reversibel waren. Studienabbrüche aufgrund therapieassoziierter unerwünschter Ereignisse wurden nur in 2 % der Fälle dokumentiert [1, 3].
RET-Testung ist unabdingbar
Voraussetzung für die Behandlung mit Selpercatinib ist die molekularbiologische Abklärung des RET-Status. Hierbei sollte das Vorhandensein einer RET-Mutation (bei MTC) oder einer RET-Genfusion (bei nicht medullärem Schilddrüsenkarzinom und NSCLC) durch einen validierten Test bestätigt werden, betonte Prof. Reinhard Büttner, Köln.
Neue Richtlinien der ESMO empfehlen in diesem Kontext den frühzeitigen Einsatz von erweiterten Marker-Panels für das Next Generation Sequencing (NGS) [4].
Büttner verwies auf das National Network Genomic Medicine (nNGM) Lung Cancer, das auf Basis eines BV-Vertrags eine Reflextestung unabhängig von der sektoralen Versorgung und eine qualitativ hochwertige Akkreditierung biete.
Claudia Schöllmann