Der monoklonale Anti-HER2-Antikörper Trastuzumab war weltweit der erste zielgerichtete Wirkstoff, der für die Behandlung eines soliden Tumors – damals des metastasierten Mammakarzinoms – zugelassen wurde. Abgesehen von der antihormonellen Therapie bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren kann die Anti-HER2-Therapie damit als Prototyp der personalisierten, an molekularen Eigenschaften orientierten Therapie bei soliden Tumoren betrachtet werden.
Nachdem 1985 die Amplifikation des humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors 2 (HER2, HER2/neu, c-erbB2) in Mammakarzinom-Zelllinien entdeckt wurde [1], wurde 1987 die prognostische Bedeutung dieser Amplifikation verstanden: Slamon et al. wiesen erstmals darauf hin, dass eine Amplifikation des ErbB2-Gens möglicherweise eine Rolle bei der Pathogenese von Mammakarzinomen spielt und zudem zu einem aggressiven biologischen Tumorverhalten und ungünstiger Prognose führt [2].
Eine Überexpression des Rezeptors oder eine Amplifikation des HER2-Gens liegt nur bei malignen Tumoren vor, es gibt kaum Normalgewebe mit nennenswertem Gehalt an HER2. Dieser Unterschied bezüglich der HER2-Expression zwischen Normal- und Tumorgewebe macht HER2 zu einem idealen Target für eine zielgerichtete Therapie [3].
Die Wirksamkeit zielgerichteter Substanzen hängt maßgeblich vom Vorhandensein der jeweiligen spezifischen Zielstruktur in der Tumorzelle ab; umso wichtiger ist der exakte Nachweis durch entsprechende Testverfahren. Zur Detektion von HER2-Rezeptoren auf Tumorzellen als wesentliche Zielstruktur für Anti-HER2-Therapeutika kommt heute in der Routinediagnostik die Immun-histochemie (IHC) zum Einsatz, ergänzt durch In-situ-Hybridisierung (ISH) zum Nachweis der Amplifikation des HER2-Gens. Während die Testung des HER2-Status beim Mammakarzinom Bestandteil der pathologischen Routinediagnostik bereits bei Erstdiagnose ist, ist das bei Magenkarzinomen noch nicht der Fall.
Biologie und Genetik
HER2 ist eine transmembranäre Rezeptor-Tyrosinkinase (RTK), die anders als die weiteren Mitglieder der ErbB-Familie keinen spezifischen Liganden bindet. Zu den Mitgliedern der Familie von RTKs gehören neben HER2 der epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR bzw. HER1), HER3 und HER4. Die Struktur dieser vier RTKs ist ähnlich: Sie besteht aus einer extrazellulären (Liganden-bindenden) Domäne von 105 kD, einer kurzen Transmembran-Domäne und einer intrazellulären Domäne von ca. 80 kD mit katalytischer Tyrosinkinase-Aktivität [4]. HER3 besitzt keine intrazelluläre Tyrosinkinase (TK) [5] und HER2 keinen spezifischen Liganden [6].
Während bei HER1, HER3 und HER4 die Dimerbildung bei den RTK Liganden-vermittelt geschieht, kann HER2 ab einer gewissen Moleküldichte spontan dimerisieren. Möglich ist die Bildung von Heterodimeren mit anderen Mitgliedern der ErbB-Familie und von Homodimeren [3]. HER2 hat die stärkste katalytische Kinaseaktivität, und HER2-enthaltende Heterodimere weisen die stärkste Signalaktivität [auf 7–9]. HER2 ist der bevorzugte Dimerisierungspartner für die anderen ErbB-Familienmitglieder [10]. Die Dimerisierung ist der entscheidende Schritt zur Induktion intrazellulärer Signalübertragungswege: Durch Dimerisierung zweier RTKs kommt es zur Autophosphorylierung der intrazellulären Tyrosinkinase (TK), was spezifische intrazelluläre Signalübertragungswege induziert. Dies führt letztlich zu gesteigerter Proliferations-, Invasions- und Überlebensfähigkeit der Zelle, aber auch zu verbesserter Zelldifferenzierung [3] (Abb. 1).