Lymphome
Erstlinienprotokoll für fortgeschrittenen Hodgkin
Eine Kombination aus dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab-Vedotin (BV), dem PD-1-Checkpoint-Inhibitor Nivolumab und einer Chemotherapie-Doublette aus Doxorubicin und Dacarbazin war in einer US-amerikanischen Phase-II-Studie beim fortgeschrittenen klassischen Hodgkin-Lymphom gut verträglich und wirksam und wies hohe Komplettremissionsraten auf.
Nivolumab und Doxorubicin in Kombination (AN) waren sowohl als erste Salvage-Therapie als auch in der Erstlinie bei über 60-Jährigen effektiv gewesen. 97 % Komplettremissionen und eine progressionsfreie 4-Jahres-Überlebensrate von 91 % für BV in Kombination mit Doxorubicin und Dacarbazin (AD) bei Erkrankten im Stadium I oder II ohne „bulky disease“ bei ausschließlich niedriggradigen peripheren Neuropathien waren schließlich der Anlass, in der Phase-II-Studie SGN35 027 in einer Kohorte von 57 Betroffenen im Ann-Arbor-Stadium II mit mediastinalem „Bulk“ (≥ 10 cm; 30 %) oder im Stadium III (18 %) oder IV in der Erstlinie alle vier Medikamente zu kombinieren (AN + AD), so Hun Lee, Houston, TX, USA, beim EHA-Kongress in Wien, Österreich [1]. Die Erkrankten erhielten bis zu sechs vierwöchige Zyklen (BV 1,2 mg/kg, Nivolumab 240 mg, Doxorubicin 25 mg/m2 und Dacarbazin 375 mg/m2 jeweils an den Tagen 1 und 15). Bei einem medianen Alter von 35 Jahren waren 95 % unter 65; sie bekamen im Median zwölf Dosen BV und Nivolumab.
Primärer Endpunkt war die Komplettremissionsrate nach Behandlungsende, bestimmt nach den Lugano-Kriterien von 2014 und den LYRIC-Kriterien von 2016. Als sekundäre Endpunkte wurden Sicherheit, Verträglichkeit, Gesamtansprechrate (ORR) und progressionsfreies Überleben ermittelt. Nur 7 % der Betroffenen brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab. Am häufigsten waren Übelkeit (65 %), Fatigue (46 %) und periphere Neuropathien (39 %); Letztere erreichten nur bei zwei Personen Grad 3 und waren nicht Ursache für einen Therapieabbruch. Die häufigsten Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 waren Neutropenien und Erhöhungen der ALT (je 9 %). Immunologische Nebenwirkungen gab es bei 18 Erkrankte (32 %), darunter vier Hypothyreosen (7 %).
55 Personen hatten bereits nach dem zweiten Zyklus sehr gut angesprochen, entsprechend einer ORR von 96 %, bei 74 % Komplettremissionen; nach Ende der Therapie betrug die ORR-Rate 93 % bei 88 % Komplettremissionen. Mit dieser vielversprechenden klinischen Aktivität und der guten Verträglichkeit erscheint AN + AD verglichen mit anderen Erstlinienprotokollen sehr vorteilhaft und könnte damit eine weitere Option für Patient:innen mit fortgeschrittenem Hodgkin-Lymphom darstellen, so Lee.
Bispezifischer Antikörper bei stark vorbehandeltem DLBCL
Der bispezifische Antikörper Glofitamab weist zwei Bindungsstellen für CD20 auf B-Lymphozyten und eine für CD3 auf T-Zellen auf. Dadurch werden beide Zelltypen in engen räumlichen Kontakt gebracht, und die T-Zellen können die malignen B-Zellen zerstören. Eine Phase-I/II-Studie hatte bei rezidivierten oder refraktären (r/r) B-Zell-Lymphomen eine bereits vielversprechende Wirksamkeit gezeigt, wobei eine Vorbehandlung mit dem CD20-Antikörper Obinutuzumab und eine einschleichende Dosierung von Glo-fitamab während des ersten Behandlungszyklus das Risiko für Nebenwirkungen, vor allem für ein Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS), stark vermindert hatte. In der Phase-II-Expansionsstudie, mit der eine Zulassung angestrebt wird, so Michael Dickinson, Melbourne, Australien, hatten 154 mindestens zweifach vorbehandelte Betroffene mit r/r diffus großzelligen B-Zell-Lymphomen (DLBCL) zunächst Obinutuzumab und dann maximal zwölf dreiwöchige Zyklen Glofitamab erhalten (im ersten Zyklus 2,5 mg an Tag 1 und 10 mg an Tag 8, ab dem 2. Zyklus je einmal 30 mg) [2].
Primärer Endpunkt war die anhand der Lugano-Kriterien 2014 bestimmte Komplettremissionsrate (CR). Jede dritte Person hatte bereits eine CAR-T-Zell-Therapie und ein knappes Fünftel eine Stammzelltransplantation hinter sich. Mehr als 80 % waren refraktär gegenüber CD20-Antikörpern bzw. ihrer letzten Behandlung. Nach median 12,6 Monaten betrug die ORR 51,6 % bei 39,4 % Komplettremissionen – ein gutes Drittel mehr als in historischen Kontrollkollektiven. Komplettremissionen wurden bereits nach im Median etwa sechs Wochen erreicht. Nach vorheriger CAR-T-Zell-Therapie waren es mit 34 % nur etwas weniger als bei CAR-T-Zell-naiven Erkrankten (42 %), bei rezidivierten Betroffenen jedoch deutlich mehr als bei refraktären. Fast zwei Drittel der gesamten und mehr als drei Viertel der Komplettremissionen hielten zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch an, mit einer medianen Dauer von 18,4 Monaten für die Gesamtremissionen; bei den Komplettremissionen war der Medianwert noch nicht erreicht. Nach einem Jahr lebten noch 49,8 % aller Betroffenen und 92 % derjenigen mit Komplettremission.
Die Verträglichkeit war gut: Bei 63 % der Erkrankten wurde zwar ein CRS registriert, das aber meist nur bei der initialen Glofitamab-Dosis auftrat und meist nur leicht war (lediglich 2,6 % vom Grad 3 bzw. 1,3 % vom Grad 4). Immuneffektor-Zell-assoziierte Neurotoxizitäts-Syndrome (ICANS) traten bei 7,8 % der Erkrankten auf, aber nur in jedem dritten Fall vom Grad ≥ 3. Nur 9,1 % der Betroffenen brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab.
Maximal zwölf Zyklen Glofitamab sind damit bei solchen hochgradig refraktären Patient:innen mit DLBCL ausgesprochen gut und klinisch relevant wirksam, so Dickinson – selbst dann, wenn schon eine CAR-T-Zell-Therapie vorangegangen ist.
Hochrisiko-LBCL: CAR-T-Zellen in Erstlinie überlegen?
Das CAR-T-Zell-Präparat Axicabtagen-Ciloleucel (Axi-Cel) hatte in der Phase-II-Studie ZUMA-12 bei Erkrankten mit großzelligem Hochrisiko-B-Zell-Lymphom (IPI-Score ≥ 3, Double- oder Triple-Hit-Status) in der Erstlinie hohe Ansprechraten bewirkt. Insgesamt 61 Betroffene, die nicht daran teilnehmen konnten – weil sie die Einschlusskriterien nicht erfüllt hatten – und deshalb eine Standard-Immunchemotherapie (77 % R-CHOP, 21 % DA-EPOCH-R) erhalten hatten, wurden in eine nicht randomisierte Kontrollgruppe eingeschlossen und beobachtet. Primäre Endpunkte, so Omar Albanyan, Detroit, MI, USA, in Wien [3], waren Gesamt- und Komplettremissionsraten nach Ende der Behandlung und sekundäre Endpunkte progressionsfreies und Gesamtüberleben. Die 53 Betroffenen, deren Daten auswertbar waren, hatten in gut der Hälfte der Fälle eine negative Interims-PET aufgewiesen, knapp ein Fünftel hatte die Behandlung abgelehnt, und rund 15 % waren aus anderen Gründen nicht für die CAR-T-Zell-Therapie geeignet gewesen. Die Erkrankten waren ein Hochrisikokollektiv: Sie waren im Mittel 67 Jahre alt, jede fünfte Person hatte einen Double- oder Triple-Hit-Status und 86,8 % einen IPI-Score zwischen 3 und 5.
ORR und CR-Raten betrugen 83 % bzw. 79,2 % gegenüber 90 % bzw. 80 % bei den ZUMA-12-Teilnehmenden. Drei Personen konnten die Therapie aufgrund von Krankheitsprogression nicht beenden, eine verstarb aus anderen Gründen. Unter der Standard-Immunchemotherapie lagen die Medianwerte für progressionsfreies und Gesamtüberleben bei 27,4 bzw. 30,8 Monaten, in der ZUMA-12-Studie sind sie bei beiden Parametern noch nicht erreicht.
Wegen des unterschiedlichen Designs lassen sich beide Untersuchungen formal nicht statistisch vergleichen, aber die Wirksamkeit von Axi-Cel ist bei Patient:innen mit Hochrisiko-LBCL zumindest numerisch offenbar deutlich höher als die der Standardtherapien. Eine randomisierte Studie zum Vergleich von CAR-T-Zell- und Standard-Immunchemotherapie in der Erstlinie beim Hochrisiko-LBCL ist deshalb laut Albanyan zu empfehlen.
Hochrisiko-Burkitt-Lymphom: weniger aggressiv
Ein Therapiestandard für das Hochrisiko-Burkitt-Lymphom steht derzeit nicht zur Verfügung. Zur Auswahl stehen im Wesentlichen zwei Immunchemotherapie-Protokolle: das hochdosierte R-CODOX-M/R-IVAC und das DA-EPOCH-R, das in einer Phase-II-Studie etwas wirksamer und weniger toxisch erschien. Eine Studie, in der beide Regime erstmals direkt und randomisiert miteinander verglichen werden sollten, musste wegen schleppender Rekrutierung vorzeitig abgebrochen werden. Die Ergebnisse waren trotzdem so interessant, dass sie es bei der EHA-Jahrestagung in die Late Breaking Abstracts Session schafften.
Ein Hochrisiko-Burkitt-Lymphom liegt vor, wenn die Erkrankten entweder erhöhte LDH-Werte, einen WHO-Performancestatus von ≥ 2, ein Stadium III/IV oder eine Tumormasse von mindestens 10 cm Durchmesser haben. R-CODOX-M/R-IVAC (Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Methotrexat/Rituximab, Ifosfamid, Etoposid, hochdosiertes Cytarabin) wies in einer kleineren Studie gegenüber dem weniger aggressiven DA-EPOCH-R (Dosis-adjustiertes Etoposid, Prednison, Vin-cristin, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Rituximab) bei ausgeprägter Toxizität und Hospitalisierungspflicht eine progressionsfreie 3-Jahres-Überlebensrate von 74 % versus 95 % auf.
Wie Martine Chamuleau, Amsterdam, Niederlande, berichtete, sollten in einer randomisierten, multizentrischen Studie der HOVON- und der SAKK-Studiengruppe beide Protokolle bei insgesamt 260 Erkrankten mit neu diagnostiziertem Hochrisiko-Burkitt-Lymphom direkt verglichen werden [4]. Vom Regime R-CODOX-M/R-IVAC wurden zwei, von DA-EPOCH-R sechs Zyklen gegeben. Eine zerebrale Beteiligung durfte nicht vorliegen, aber die Betroffenen bekamen eine intrathekale ZNS-Prophylaxe. Primärer Endpunkt war eine Verbesserung im progressionsfreien 2-Jahres-Überleben von 70 % unter R-CODOX-M/R-IVAC auf 85 % unter DA-EPOCH-R, sekundäre Endpunkte die ORR, das 2-Jahres-Gesamtüberleben und die Toxizität. Für ein komplettes metabolisches Ansprechen bei Therapieende war ein Deauville-Score 1–3 in der PET-CT gefordert.
Aufgrund einer schleppenden Rekrutierung musste die Studie vorzeitig beendet werden, sodass nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 19,1 Monaten lediglich 89 Betroffene in die Analyse eingeschlossen wurden. R-CODOX-M/R-IVAC war bei 92 % der Zyklen vollständig dosiert worden, für DA-EPOCH-R waren Dosisanpassungen vorgesehen. Entgegen den Ergebnissen der Vorstudien unterschieden sich beide Protokolle weder beim progressionsfreien (p = 0,38) noch beim Gesamtüberleben (p = 0,8; Abb. 1) oder beim kompletten metabolischen Ansprechen (65 % unter R-CODOX-M/R-IVAC vs. 66 % unter DA-EPOCH-R).