Frühes NSCLC
Neoadjuvante Immunchemotherapie: Drei Zyklen besser als zwei?
Eine neoadjuvante Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren hat sich beim resektablen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) ohne Treibermutationen als wirksam erwiesen. In den betreffenden Studien wurden zwischen zwei und vier Zyklen gegeben, aber bislang war unklar, welches die optimale Dauer dieser präoperativen Behandlung sein sollte. Fuming Qiu, Hangzhou, China, präsentierte in Chicago, IL, USA, die ersten Ergebnisse der randomisierten Phase-II-Studie neoSCORE, in der geprüft werden sollte, ob drei Zyklen eines PD-1-Antikörpers besser sind als zwei [1].
Die chinesischen Onkolog:innen, Thoraxchirurg:innen und Radiolog:innen schlossen 60 Betroffene mit NSCLC in den Stadien IB–IIIA ein, die entsprechend der PD-L1-Expression ihres Tumors (≥ 1 % vs. < 1 %) stratifiziert wurden. Sie erhielten randomisiert zwei oder drei dreiwöchige Zyklen einer neoadjuvanten Immunchemotherapie mit dem Anti-PD-1-Checkpoint-Inhibitor Sintilimab, der als Monotherapie in der Neoadjuvanz wirksam ist [2] und mit einer Chemotherapie aus Carboplatin und nab-Paclitaxel (bei Plattenepithelkarzinomen) oder Pemetrexed (bei Nicht-Plattenepithelkarzinomen) kombiniert wurde. Postoperativ wurden noch vier Zyklen Immunchemotherapie sowie eine einjährige Erhaltungstherapie mit Sintilimab gegeben.
Als primärer Endpunkt wurde die Rate an majoren pathologischen Remissionen (MPR; Rückgang der Tumorgröße auf höchstens ein Zehntel des Volumens des Tumorbetts) definiert. Sie lag bei den 55 Erkrankten, bei denen sich der Tumor erfolgreich komplett resezieren ließ, bei 41,4 % nach drei Zyklen neoadjuvanter Therapie gegenüber 26,9 % nach zwei Zyklen (p = 0,260). Bei der Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) – ein sekundärer Endpunkt – war der Unterschied mit 24,1 % versus 19,2 % deutlich geringer (p = 0,660). Erkrankte mit Plattenepithelkarzinomen schnitten generell besser ab als jene mit nicht-plattenepithelialen Tumoren, und in beiden Strata brachten drei neoadjuvante Zyklen eine höhere MPR-Rate als zwei Zyklen (60 % vs. 43,8 % bei Plattenepithelkarzinomen; p = 0,366; 21,4 % vs. 0 % bei nicht-plattenepithelialer Histologie; p = 0,239). Beim Gesamtansprechen gab es keinen Unterschied zwischen drei und zwei Zyklen.
Die Patientenzahlen sind klein, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass keine statistische Signifikanz erreicht wurde. Die numerischen Differenzen sind aber ein starker Hinweis darauf, dass drei Zyklen einer neoadjuvanten Immunchemotherapie der kürzeren Behandlung mit zwei Zyklen überlegen sind.
Immuntherapie ja, Strahlentherapie eher nein?
Die Heilungschancen im Stadium III des NSCLC sind begrenzt: Bereits im Stadium IIIA liegen die 5-Jahres-Überlebensraten unter 40 % [3]. In Chicago wurden Studien präsentiert, wonach der Nutzen einer neoadjuvanten Chemotherapie steigt, wenn man einen Immuncheckpoint-Inhibitor bzw. eine Strahlentherapie hinzufügt.
In der randomisierten spanischen Phase-II-Studie NADIM II erhielten 87 Personen mit resezierbarem NSCLC im Stadium IIIA ohne bekannte EGFR- oder ALK-Veränderungen drei Zyklen einer Chemotherapie aus Paclitaxel und Carboplatin und zusätzlich randomisiert in jedem Zyklus den PD-1-Inhibitor Nivolumab oder keinen Checkpoint-Inhibitor. Konnte der Tumor daraufhin komplett reseziert werden, wurde für ein halbes Jahr adjuvant mit Nivolumab weiterbehandelt. Primärer Endpunkt war die pCR-Rate.
Diese wurde durch Nivolumab signifikant mehr als verfünffacht (von 6,8 % auf 36,2 %; relatives Risiko 5,25; p = 0,0071), so Mariano Provencio Pulla, Madrid, Spanien [4]. Auch die Rate an guten pathologischen Remissionen – ein sekundärer Endpunkt – stieg von 14 % auf 52 %, ebenso wie die Gesamtansprechrate (von 48 % auf 74 %). Eine R0-Resektion gelang bei 91 % versus 69 % der Betroffenen.
Die PD-L1-Expression im Tumor betrug bei den Erkrankten mit pCR im Median 70 %, bei den Non-Respondern wurde gar kein PD-L1 exprimiert. Umgekehrt nahmen die pCR-Raten mit der PD-L1-Expression von 14,3 % (bei PD-L1 < 1 %) über 41,7 % (bei PD-L1 > 1 % und < 49 %) auf 61,1 % (bei PD-L1 ≥ 50 %; p = 0,008) zu. Abzuwarten bleibt der Effekt auf das Überleben, aber angesichts der geringen Toxizität der Behandlung plädierte Provencio Pulla dafür, die Therapie zum Standard in dieser Situation zu erklären. Dies umso mehr, als in der soeben veröffentlichten Phase-III-Studie CheckMate 816 Nivolumab bei NSCLC-Erkrankungen der Stadien IB–IIIA ebenfalls die pCR-Rate erhöhte und das ereignisfreie Überleben verlängerte [5], während ein numerischer Vorteil beim Gesamtüberleben noch nicht signifikant war.
In einer Registerstudie zur Neoadjuvanz, die Sebawe Syaj, Irbid, Jordanien, vorstellte [6], wurden 1.175 Betroffene mit NSCLC im Stadium N2M0, also mit ipsilateralen mediastinalen oder subkarinalen Lymphknotenmetastasen, aber ohne bekannte Fernmetastasen, retrospektiv aus dem US-amerikanischen SEER-Register (Surveillance, Epidemiology, and End Results) von 2004 bis 2015 rekrutiert. Stratifiziert wurden die Erkrankten danach, ob sie neoadjuvant eine Chemotherapie alleine (etwa ein Drittel) oder mit Bestrahlung (zwei Drittel) erhalten hatten. Primäre Endpunkte waren das Gesamt- und das krebsspezifische Überleben.
Die zusätzliche Strahlentherapie verlängerte das Gesamt- (von median 47 auf 51 Monate) und das krebsspezifisches Überleben leicht (von median 59 auf 75 Monate), aber nicht signifikant (HR 1,08; 95%-KI 0,91–1,28; bzw. HR 1,04; 95%-KI 0,89–1,21). Negativ wirkten sich das Alter, ein T3/4-Stadium, eine nicht-plattenepitheliale Histologie, ein Primarius in einem unteren Lungenlappen, positive Lymphknoten und eine Pneumonektomie aus, aber auch nach statistischer Korrektur für diese Faktoren war ein Vorteil der Radiotherapie nicht signifikant (HR 1,15; 95%-KI 0,95–1,40). Die Zukunft der neoadjuvanten Therapie des NSCLC scheint also in der Immunchemotherapie zu liegen.
Inoperables Stadium III: 2. Immunradiotherapie ohne Chemotherapie?
In der US-amerikanischen Phase-II-Studie SPRINT (Selective Personalized Radio-Immunotherapy for Locally Advanced NSCLC Trial) wurde beim NSCLC im inoperablen Stadium III eine neue Strategie erprobt: Laut Nitin Ohri, New York, NY, USA, sollte dabei das Ansprechen auf eine Induktionstherapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab über die Dosierung der nachfolgenden Bestrahlung entscheiden [10]. Eingeschlossen wurden in drei Zentren insgesamt 25 Erkrankte mit einem inoperablen, lokal fortgeschrittenen NSCLC im Stadium II (n = 1), IIIA (n = 13), IIIB (n = 9), IIIC (n = 2) und einer PD-L1-Expression von ≥ 50 %. Nach einer Eingangsuntersuchung mit PET und CT erhielten sie zunächst dreimal Pembrolizumab. Lag das metabolische Tumorvolumen in einer erneuten PET-CT über 20 cm3, wurde die anschließende Bestrahlung auf Tumor und/oder Lymphknoten mit 55 Gy dosiert, bei kleinerem Volumen mit 48 Gy – jeweils in 20 Fraktionen über vier Wochen. Darauf folgten bis zu 13 Zyklen einer Erhaltungstherapie mit Pembrolizumab. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben nach einem Jahr.
Zwei Betroffene, so Ohri, waren während der Induktion progredient, zwei weitere mussten die Immuntherapie aufgrund von immunologischen Nebenwirkungen absetzen. Zwölf Erkrankte erreichten mit der Induktion eine Remission nach RECIST, von denen eine komplett ausfiel. Auch bei Anwendung der PERCIST-Kriterien, bei denen die PET-Ergebnisse maßgeblich sind [11], erzielten zwölf Personen eine partielle Remission. Dabei divergierten die Resultate nach den beiden Diagnoseverfahren: Vier Erkrankte hatten in der PET, nicht aber in der CT angesprochen; umgekehrt waren bei vier weiteren die CT-, nicht aber die PET-Ergebnisse negativ. Die progressionsfreie 1-Jahres-Überlebensrate betrug 74 %, die Gesamtüberlebensrate 95 %. Das Ansprechen auf die Pembrolizumab-Induktion scheint prognostisch bedeutsam zu sein: Während alle Responder nach einem Jahr noch progressionsfrei lebten, waren es bei den Non-Respondern nur 61 % (p = 0,007). Sofern sich die Ergebnisse in größeren, randomisierten Studien bestätigen lassen, könnte bei einer PD-L1-Expression von ≥ 50 % das Ansprechen auf die Pembrolizumab-Induktion nicht nur über die Strahlendosis, sondern auch über die Notwendigkeit einer Chemotherapie entscheiden.
Metastasiertes NSCLC
NSCLC ohne Treibermutation: Chemotherapie zum Checkpoint-Inhibitor?
Beim fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) ohne Treibermutationen und mit hoher PD-L1-Expression ist in der Erstlinie ein Checkpoint-Inhibitor Standard. Die Situation ist allerdings etwas unübersichtlich, weil die Zulassungsstudien teils mit, teils ohne Chemotherapie und außerdem bei unterschiedlicher PD-L1-Expression durchgeführt wurden. Ob zum Beispiel eine Chemotherapie die Resultate der Immuntherapie wirklich verbessert, wollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FDA um Oladimeji Akinboro, Silver Spring, MD, USA, wissen. Sie untersuchten dies in einer Metaanalyse von zwölf großen randomisierten Studien, in denen Betroffene mit fortgeschrittenem NSCLC in der Erstlinie einen Checkpoint-Inhibitor mit oder ohne Chemotherapie erhalten hatten [12]. Die Forschenden konzentrierten sich dabei auf die 3.189 Erkrankten mit einer PD-L1-Expression von ≥ 50 %. In der gepoolten Analyse wurden das Gesamtüberleben, das progressionsfreies Überleben und die Gesamtansprechraten unter der immunonkologischen Therapie mit und ohne Chemotherapie miteinander verglichen.
Die 455 Patient:innen, die eine kombinierte Immunchemotherapie erhalten hatten, wiesen gegenüber den 1.298 Personen mit alleiniger Immuntherapie einen leichten, aber nicht signifikanten Überlebensvorteil auf (median 25,0 vs. 20,9 Monate; HR 0,82; 95%-KI 0,62–1,08). Subgruppenanalysen zufolge könnten in erster Linie unter 65-jährige Erkrankte (median 25,0 vs. 23,3 Monate; HR 0,67; 95%-KI 0,46–0,99) und Niemals-Raucher:innen von der zusätzlichen Chemotherapie profitieren (Median nicht erreicht vs. 14,4 Monate; HR 0,39; 95%-KI 0,15–0,98). Bei den übrigen Subgruppen ist kein sicherer Vorteil der Chemotherapie zu erkennen. Schon im Gesamtkollektiv war hingegen ein Vorteil der kombinierten Immunchemotherapie erkennbar, was das progressionsfreie Überleben (median 9,6 vs. 7,1 Monate; HR 0,69; 95%-KI 0,55–0,87) und die Gesamtansprechrate (61 % vs. 43 %; OR 1,2; 95%-KI 1,1–1,3) betrifft.
Da die Analyse retrospektiv und daher nur explorativ ist und überdies der Nutzen in manchen Subgruppen nicht überwältigend ist und weil zudem die Nebenwirkungen einer Chemotherapie nicht zu vernachlässigen sind, sollten Nutzen und Risiken in jedem Einzelfall zusammen mit dem/der Erkrankten abgewogen werden, so Akinboro. Vor allem für über 75-jährige Personen war sogar ein Signal für einen Nachteil einer zusätzlichen Chemotherapie erkennbar.
Wirksamkeit eines KRAS G12C-Inhibitors auch bei Hirnmetastasen
Aktivierende Mutationen von Onkogenen der RAS-Familie zählen zu den häufigsten genetischen Aberrationen in malignen Tumoren; alleine die G12C-Punktmutation des KRAS-Gens findet sich bei rund 14 % aller NSCLC. Nach der kürzlich erfolgten Zulassung des ersten KRAS G12C-Inhibitors Sotorasib gibt es nun auch erste vielversprechende Daten zu Adagrasib. Dieser Inhibitor ist auf eine lange Halbwertszeit von etwa 24 Stunden optimiert, so Alexander Spira, Fairfax, VA, USA, und er penetriert die Blut-Hirn-Schranke. Aus der Phase-I/II-Studie KRYSTAL-1 konnte Spira beim ASCO erste Daten aus einer Kohorte präsentieren, in der 116 Erkrankte mit NSCLC nach Vorbehandlung mit einer Platinhaltigen Chemotherapie und einem PD-(L)1-Inhibitor zweimal täglich 600 mg Adagrasib oral erhalten hatten [15]. Endpunkte waren unter anderem Ansprechrate, Dauer des Ansprechens, progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben.
Nach median 12,5 Monaten lag die Ansprechrate bei 42,9 % (95%-KI 33,5–52,6) und die Krankheitskontrollrate bei 79,5 % (95%-KI 70,8–86,5). Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 8,5 Monate (95%-KI 6,2–13,8), das mediane progressionsfreie Überleben 6,5 (95%-KI 4,7–8,4) und das mediane Gesamtüberleben 12,6 Monate (95%-KI 9,2–nicht erreicht). Die am häufigsten registrierten Toxizitäten insgesamt waren Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit sowie Erhöhungen von ALT bzw. AST und des Kreatinin-Wertes. Mit Grad ≥ 3 wurden am häufigsten Erhöhungen der Lipase (6 %) sowie Anämien registriert (5,2 %). Dosisreduktionen oder ein vorübergehendes Absetzen von Adagrasib aufgrund von Nebenwirkungen waren in 52 % bzw. 61 % der Fälle erforderlich; 7 % der Betroffenen brachen die Behandlung deswegen ganz ab.
Joshua Sabari, New York, NY, USA, stellte die Ergebnisse von 25 Erkrankten aus der Kohorte vor, die zu Beginn aktive, unbehandelte Hirnmetastasen aufgewiesen hatten [16]. Für die 19 Betroffenen, deren Daten auswertbar waren, lag die Ansprechrate nach median 6,6 Monaten bei 31,6 % mit drei Komplettremissionen; die Krankheitskontrollrate betrug 84,2 %. Die Liquor-Konzentration von Adagrasib war bei einigen Betroffenen hoch. Die mediane Ansprechdauer war nicht erreicht, die Dauer des progressionsfreien Überlebens betrug 4,2 Monate.
Die Wirksamkeit von Adagrasib ist laut Alexander Spira vielversprechend bei gut handhabbarem Sicherheitsprofil; die Daten wurden zeitgleich voll publiziert [17]. Derzeit läuft die Phase-III-Studie KRYSTAL-12, in der die Monotherapie mit Adagrasib bei vorbehandelten Erkrankten randomisiert mit Docetaxel verglichen wird. Außerdem wird der KRAS G12C-Inhibitor auch bei anderen Tumorentitäten wie Kolon-, Pan-kreas-, Ovarial- und Endometriumkarzinom untersucht.
SCLC
ES-SCLC: PD-1-Hemmer auch wirksam, …
Atezolizumab und Durvalumab sind zusammen mit einer Chemotherapie (Platin/Etoposid) aufgrund ihrer klinischen Überlegenheit über die alleinige Chemotherapie zur Erstlinientherapie des fortgeschrittenen SCLC (Extensive-stage, ES-SCLC) zugelassen. Ob PD-1-Inhibitoren hier ebenfalls wirken, testeten chinesische Onkolog:innen mit dem neu entwickelten PD-1-Inhibitor Serplulimab, einem humanisierten monoklonalen Antikörper. 585 Personen mit neu diagnostiziertem ES-SCLC erhielten in der Phase-III-Studie ASTRUM-005 vier dreiwöchige Zyklen Carboplatin/Etoposid und dazu 2:1-randomisiert alle drei Wochen entweder Serplulimab oder ein Placebo. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben, sekundäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben, das objektive Ansprechen, die Dauer des Ansprechens und die Sicherheit.
Ying Cheng, Changchun, China, stellte die Interimsanalyse nach median 12,3 Monaten vor [18], in der die mediane Überlebenszeit durch den Antikörper um etwa die Hälfte von 10,9 auf 15,4 Monate verlängert worden war (HR 0,63; 95%-KI 0,49–0,82; p < 0,001; Abb. 1a).