ASCO 2022: Aktuelle Daten und Perspektiven für die Behandlung des kolorektalen Karzinoms
Das diesjährige ASCO-Meeting erbrachte eine Vielzahl von neuen spannenden Studiendaten insbesondere für Tumoren des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts, einige davon mit praxisveränderndem Potential. Dieser Beitrag fokussiert auf Studiendaten beim Kolon- und Rektumkarzinom. Hier gab es beispielsweise interessante neue Erkenntnisse zur Therapiesequenz beim metastasierten Kolonkarzinom, zur Chemotherapieintensität sowie zur Bedeutung der Immuntherapie bei Tumoren mit und ohne Mikrosatelliteninstabilität. Darüber hinaus weisen erste Daten von Phase-II-Studien darauf hin, dass die Immuntherapie auch im adjuvanten und neoadjuvanten Setting beim nicht metastasierten Kolon- und Rektumkarzinom mit hoher Mikrosatelliteninstabilität große Bedeutung erlangen könnte.
Kolonkarzinom, Rektumkarzinom, Anti-EGFR-Therapie, Immuntherapie, Panitumumab, Dostarlimab, Mikrosatelliteninstabilität, mCRC, Cetuximab, Immuntherapie, MSI-h, Metastasen, Chemotherapie, MSS-Tumore, neoadjuvanten Therapie, Liquid Biopsy
Zielgerichtete Therapiestrategien beim mCRC
Anti-EGFR versus Antiangiogenese beim RAS-Wildtyp-mCRC
Was die diesjährigen ASCO-Präsentationen zum unteren GI-Trakt betraf, erregte die randomisierte Phase-III-Studie PARADIGM besondere Aufmerksamkeit. In der in Japan durchgeführten offenen, multizentrischen Studie waren die beiden Behandlungsregime Panitumumab (PAN) plus mFOLFOX6 oder Bevacizumab (BEV) plus mFOLFOX6 bei Patient:innen mit Chemotherapie-naiven RAS-Wildtyp(WT)-mCRC verglichen worden. PARADIGM ist die erste prospektive Phase-III-Studie, die PAN versus BEV in Kombination mit einer Standard-Doublette in der Erstlinientherapie bei mCRC mit RAS-Wildtyp und linksseitigem primärem Tumor untersucht [1].
Im Vorfeld hatten bereits andere klinische Studien gegen den EGFR gerichtete Behandlungsstrategien mit BEV-basierten antiangiogenen Ansätzen beim RAS-WT-mCRC verglichen, etwa die Phase-III-Studie FIRE-3 (Cetuximab vs. BEV, jeweils in Kombination mit FOLFORI), die Phase-III-Studie CALGB 80405 (Cetuximab vs. BEV, jeweils in Kombination mit Chemotherapie; 73 % FOLFOX, 27 % FOLFORI) und die Phase-II-Studie PEAK (PAN vs. BEV, jeweils in Kombination mit mFOLFOX). Eine gepoolte Analyse dieser Studien hatte für linksseitige RAS-WT-Tumoren eine Überlegenheit der EGFR-Behandlungsstrategie hinsichtlich des Gesamtüberlebens (Hazard Ratio [HR] 0,71; p < 0,001) und des progressionsfreien Überlebens (PFS; HR 0,85; p < 0,001) gezeigt, nicht aber für rechtsseitige Tumoren (OS-HR 1,30; PFS-HR 1,53) [2]. Mit Spannung war nun erwartet worden, ob die PARADIGM-Studie die Überlegenheit der EGFR-basierten Behandlung, hier mit PAN, bei linksseitigen mCRC mit RAS-WT bestätigen würden.
In der PARADIGM-Studie wurde das OS als primärer Endpunkt zunächst bei Patient:innen mit linksseitigen Tumoren getestet, danach bei der Gesamtpopulation (FAS; Full-Analysis-Set-Population). Zu den wichtigsten sekundären Endpunkten gehörten das PFS, die Ansprechrate (RR) und die R0-Resektionsrate. Insgesamt 400 Patient:innen erhielten randomisiert die PAN- und 402 die BEV-basierte Therapie; jeweils 312 bzw. 292 Erkrankte wiesen linksseitige Primärtumoren auf. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 61 Monaten und nach 448 OS-Ereignissen bei den linksseitigen mCRC-Patient:innen erfolgte die beim ASCO präsentierte Analyse.
Wie Dr. Takayuki Yoshino, Kashiwa, Japan, in der Plenary Session beim ASCO berichtete, zeigte sich im PAN-Arm im Kollektiv der Erkrankten mit linksseitigen Tumoren ein signifikanter Überlebensvorteil von 3,6 Monaten (37,9 vs. 34,3 Monate; HR 0,82; p = 0,031), der sich auch in der Analyse des Gesamtkollektivs aller Tumorlokalisationen bestätigte. PAN verbesserte das OS im Vergleich zu BEV in beiden Populationen signifikant – bei den linksseitigen Primärtumoren (HR 0,82; 95,798%-KI 0,68–0,99; p = 0,031) (Abb. 1) ebenso wie bei FAS (HR 0,84; 95%-KI 0,72–0,98; p = 0,030) [1]. Die HR für das OS bei rechtsseitigen Tumoren lag dagegen bei 1,09.