LAURA-Studie: Osimertinib Option bei EGFR-Mutation
Standard in der Therapie des NSCLC im nichtoperablen Stadium III ist nach den Daten der PACIFIC-Studie [1] die definitive Radiochemotherapie, gefolgt von einer Therapie mit Durvalumab (bei einer PD-L1-Expression von > 1 %).
In retrospektiven Analysen hatte sich bereits erwiesen, dass Patienten mit einer häufigen EGFR-Mutation (EGFR-Exon-19-Deletion und Exon-21-Mutation) von einer Durvalumab-Konsolidierungstherapie nicht profitieren. Aus diesem Grund wurde die Phase-III-Studie LAURA konzipiert, in die 216 Patienten mit einem NSCLC im Stadium III nach einer Radiochemotherapie mit einer häufigen („common“) EGFR-Mutation eingeschlossen worden sind.
Die Teilnehmenden wurden in einer 2:1-Randomisierung entweder lediglich beobachtet (Kontrollarm), oder sie erhielten ohne eine zeitliche Begrenzung Osimertinib, einen ZNS-aktiven EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) der dritten Generation.
Die Ergebnisse wurden nun beim ASCO 2024 vorgestellt [2]. Der primäre Endpunkt, das progressionsfreie Überleben (PFS), wurde mit einer Hazard Ratio [HR] von 0,16 erreicht. Das mediane PFS betrug im Kontrollarm 5,6 Monate verglichen mit 39,1 Monaten im experimentellen Arm. Durch die Osimertinib-Therapie wurde vor allem das Auftreten von ZNS- und von pulmonalen Metastasen als Rezidivlokalisation verhindert.
Mit einer Cross-over-Rate von 81 % war das Gesamtüberleben (OS) nicht zugunsten des experimentellen Arms verbessert: Das mediane OS wurde im Kontrollarm nicht erreicht, im experimentellen Arm betrug es 54,0 Monate.
Kritikpunkt an der LAURA-Studie war, dass das Krankheitsstadium nicht bei allen Patienten mittels Positronenemissionstomografie/Computertomografie (PET-CT) bestimmt worden ist. Deshalb wurden gegebenenfalls auch primär metastasierte Patienten eingeschlossen. Nun stellt sich die Frage, ob Patienten erst mit Osimertinib behandelt werden sollten, wenn sie einen Progress erlitten haben, statt unmittelbar nach der Radiochemotherapie. Ein Gegenargument könnte sein, dass selbst unter Studienbedingungen knapp 20 % der Patienten keiner Zweitlinientherapie mit Osimertinib bei einem Progress zugeführt worden sind, was eine Untertherapie bedeuten könnte.
Osimertinib ist derzeit in der Situation nicht zugelassen. In Anbetracht des sehr ungünstigen Therapieergebnisses in der Kontrollgruppe wären jedoch Kostenübernahmeanträge nach einer erfolgten Radiochemotherapie zu empfehlen.
ADRIATIC-Studie beim SCLC: Durvalumab-Konsolidierung
Die zweite Plenarsitzungsstudie zum Lungenkrebs war ADRIATIC [3]. In dieser Phase-III-Studie wurden Patienten mit einem kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC) nach einer Radiochemotherapie entweder beobachtet oder mit Durvalumab oder Durvalumab plus Tremelimumab für zwei Jahre behandelt. In die Studie wurden 730 Patienten 1:1:1 randomisiert; der Durvalumab-Monotherapie-Arm und der Kontrollarm wurden beim ASCO 2024 präsentiert.
Zur Studienpopulation gehörten überwiegend Patienten mit einem SCLC im Stadium III (87 %), die alle mit einer kombinierten Radiochemotherapie (konventionell oder hyperfraktioniert; 26–29 %) vorbehandelt waren. In die Studie eingeschlossen wurden sie, wenn kein Progress sowie ein WHO-Performance-Status von 0 oder 1 vorlag. Eine prophylaktische kraniale Radiatio (PCI) war in der Studie vor der Randomisierung gestattet.
Der koprimäre Endpunkt, das OS, wurde mit einer HR von 0,73 (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,57–0,93; p = 0,0104) erreicht, und das mediane OS wurde von 33,4 auf 55,0 Monate verlängert. Das mediane PFS verbesserte sich von 9,2 auf 16,6 Monate (HR 0,76; 95 %-KI 0,61–0,95; p = 0,0161). Betreffend Durvalumab wurden keine neuen Sicherheitssignale erhoben, und die Pneumonitis-Rate war im Durvalumab-Arm minimal erhöht.
Die ADRIATIC-Studie war eine positive Studie bei einem Patientenkollektiv mit einem nach wie vor schlechten Outcome. In Anbetracht dieser Daten scheinen Kostenübernahmeanträge für die Durchführung der Therapie mit Durvalumab für zwei Jahre sinnvoll und geboten, unabhängig von der PD-L1-Expression.
CROWN: neuer Standard beim ALK+ NSCLC in Erstlinie
Die dritte wichtige Studie ist die Phase-III-Studie CROWN, für die nun 5-Jahres-Daten vorliegen [4]. In dieser Studie wurde bei Patienten mit einem metastasierten, ALK-positiven NSCLC der alte Erstlinienstandard Crizotinib mit dem ZNS-gängigen ALK-TKI der dritten Generation, Lorlatinib, verglichen. Bisher lagen nur die 3-Jahres-Daten vor, die einen PFS-Vorteil und einen numerischen, aber nicht statistisch signifikanten OS-Vorteil gezeigt hatten.
Beeindruckend ist, dass in der aktuellen Post-hoc-Analyse nach fünf Jahren das mediane PFS im Lorlatinib-Arm immer noch nicht erreicht worden ist. Die 5-Jahres-PFS-Rate betrug 60 % (vs. 8 % im Crizotinib-Arm) mit einem Abfall zwischen drei und fünf Jahren von lediglich 5 %. In der Subgruppe ohne Hirnmetastasierung lag die PFS-Rate nach fünf Jahren bei 63 %, hingegen bei 53 % in der Subgruppe mit ZNS-Metastasen am Anfang der Therapie. In der Gesamtgruppe wurde eine intrakranielle PFS-Rate von 92 % erzielt sowie von 83 % für die Patienten mit ZNS-Metastasen und von 96 % bei jenen ohne ZNS-Metastasen zu Therapiebeginn.
Prognostische Subgruppen wie EML4::ALK-Variante 1 versus 3 schienen sowohl im Crizotinib- als auch im Lorlatinib-Arm ähnlich zu verlaufen. Im Gegensatz dazu kam es in der Patientengruppe mit TP53-Mutationen zu unterschiedlichen Ergebnissen im Crizotinib- und im Lorlatinib-Arm, sodass sich hier der prognostische Wert der TP53-Mutation bestätigte. Die Patienten mit TP53-Mutation erzielten unter der Lorlatinib-Therapie ein medianes PFS von 51,5 Monaten; hingegen wurde der Median in der TP53-Wildtyp-Gruppe noch nicht erreicht.
Lorlatinib kann sowohl Gewichtszunahme, Transaminasenveränderungen, Hyperlipidämie und Hypercholesterinämie als auch neurokognitive und psychiatrische Nebenwirkungen verursachen, die jedoch mit einer Dosisreduktion zu handhaben sind. Deshalb lag die Abbruchrate im Lorlatinib-Arm durch behandlungsassoziierte Nebenwirkungen nur bei 5 %. Die Effektivität der Therapie blieb unbeeinflusst; die Dosisreduktionsgruppe lief numerisch sogar etwas besser als die Gruppe ohne Dosisreduktion.
Schließlich scheint – wie bei Osimertinib – das Resistenzmutationsmuster unter Lorlatinib in der Erstlinie ein völlig anderes zu sein als in der zweiten oder dritten Therapielinie, solange keine On-target-Resistenzmutationen in der Erstliniengruppe gefunden wurden. Das Resistenzmutationsmuster unterscheidet sich nach einem Zweitgenerations-TKI in der Zweit- und Drittlinientherapie, da hier die Rate an schwer zu behandelnden Compound-Mutationen hoch ist.
Aufgrund der 5-Jahres-Daten der CROWN-Studie sollte Lorlatinib als neuer präferierter Standard in der Erstlinientherapie des ALK-positiven NSCLC eingesetzt werden. Wichtig ist es, dass Patienten und Angehörige über die Therapie und deren Nebenwirkungen aufgeklärt werden und dass eine engmaschige Anbindung an den Behandelnden insbesondere zu Beginn der Therapie sichergestellt ist.
KRYSTAL-12-Studie: neuer wirksamer KRASG12C-Inhibitor
In der Phase-III-Studie KRYSTAL-12 verglich man beim NSCLC mit KRASG12C-Mutationen die Therapie mit Docetaxel versus den KRASG12C-Inhibitor Adagrasib in der Zweitlinientherapie nach Chemo- und Immuntherapie [5]. Diese Studie war auf das PFS gepowert und erreichte den primären Endpunkt mit einer statistisch signifikanten HR von 0,58 und einer Verbesserung des medianen PFS von 3,8 auf 5,5 Monate unter Adagrasib. Die Ansprechrate konnte von 9 auf 32 %, die intrakranielle Ansprechrate von 11 auf 24 % gesteigert werden.
Die Gabe von Adagrasib war mit einer signifikanten Verbesserung der Zeit bis zur Verschlechterung von mit dem Lungenkarzinom assoziierten Symptomen verbunden (HR 0,57). Neue Nebenwirkungssignale wurden nicht beobachtet. Adagrasib ist die zweite in der Indikation zugelassene Substanz. Die Effektivitäts- und Toxizitätsdaten sind vergleichbar mit denen von Sotorasib. Adagrasib wird vermutlich ab Ende des Jahres 2024 in der EU erhältlich sein.
EVOKE-01-Studie: kein Vorteil für SG in Zweitlinie
In einer weiteren Zweitlinienstudie wurde der Stellenwert einer Therapie mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Sacituzumab-Govitecan (SG) untersucht. In der Phase-III-Studie EVOKE-01 wurde das ADC verglichen mit Docetaxel in der Zweitlinientherapie des NSCLC nach einer Chemo- und Immuntherapie beziehungsweise zusätzlich bei treibermutiertem NSCLC nach mindestens einer TKI-Therapie gefolgt von Chemo- und Immuntherapie [6]. SG ist das zweite Anti-Trop-2-gerichtete ADC nach Datopotamab-Deruxtecan. Dieses hatte in der TROPION-Lung01-Studie einen statistisch signifikanten OS-Vorteil erzielt, der jedoch überraschenderweise ausschließlich von der Nichtplattenepithelkarzinom-Kohorte getragen wurde. Die Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom hatten eher einen Nachteil, obwohl die Expression von Trop-2 keine Histologieabhängigkeit gezeigt hat.
Die jetzt vorgelegte EVOKE-01-Studie erreichte für die Gesamtpopulation den primären Endpunkt OS nicht, das mediane OS für Docetaxel betrug 9,8 versus 11,1 Monate für SG. Der sekundäre Endpunkt PFS wurde ebenfalls nicht statistisch signifikant erreicht. Das mPFS lag bei 5,8 Monaten unter Docetaxel versus 6,7 Monaten unter SG. Im Gegensatz zur Studie mit Datopotamab-Deruxtecan, in der eine histologieabhängige Effektivität beobachtet wurde, war dieser differenzielle Effekt in der EVOKE-01-Studie nicht nachweisbar. Es gab ein Signal zugunsten der Patienten, die in der letzten vor SG gegebenen Therapie einen Progress als bestes Ansprechen aufzeigten. Diese Analyse war allerdings nicht präspezifiziert.
Die Nebenwirkungsrate war im SG-Arm geringer als im Docetaxel-Arm (Grad > 3: 66,6 vs. 75,7 %), und die Rate an Ereignissen, die zum Therapieabbruch führten, wurde von 16,7 auf 9,8 % gesenkt. Insgesamt handelt es sich demnach um eine negative Studie. Die Aufgabe für die Zukunft wird es deshalb sein, mechanistisch zu verstehen, warum trotz einer hohen Trop-2-Expression auf fast allen Tumorzellen beim NSCLC differenzielle Effekte in Subgruppen auftreten. Insgesamt haben die ADC-Daten beim NSCLC bisher nicht den Stellenwert wie beim Mammakarzinom oder auch bei gastrointestinalenTumoren. Weitere Studien, insbesondere in der Erstlinientherapie in Kombination mit Immuncheckpoint-Inhibitoren, laufen bereits.
Fazit für die Praxis
Die Therapie des NSCLC und des SCLC hat sich nach dem ASCO 2024 geändert: Für Osimertinib und Durvalumab liegen zwei neue Indikationen in der kurativen Situation vor, auch wenn beide Substanzen derzeit nicht dafür zugelassen sind. Zudem ist Lorlatinib aufgrund der CROWN-Daten als präferierte Erstlinienstandardsubstanz beim ALK-translozierten NSCLC zu sehen.