Erstlinientherapie des multiplen Myeloms: Fortschritte bei funktionellem Hochrisiko und in Therapiesteuerung
DOI: https://doi.org/10.47184/tk.2024.04.6 Das multiple Myelom (MM) ist eine maligne, durch Endorganschäden definierte Plasmazellerkrankung, die ein wichtiges Thema bei den weltweit größten onkologischen Kongressen ASCO 2024 und EHA 2024 war. Im Vordergrund standen Vierfachkombinationen – auch bei älteren Patienten –, Studiendaten zu CAR-T-Zellen bei Erstdiagnose, MRD-gesteuerte Therapiepausen sowie neue Substanzen. Einige Präsentationen waren bereits länger mit Spannung erwartet worden, es wurden aber auch überraschende, für die Routine relevante Ergebnisse präsentiert. Die Kongresse standen insbesondere unter dem Vorzeichen der erst kürzlich als Endpunkt anerkannten MRD-Negativität als Surrogatmarker für das progressionsfreie Überleben (PFS) beim MM.
multiples Myelom, minimale Resterkrankung, Daratumumab, Isatuximab, Lenalidomid, bispezifische Antikörper, Belantamab-Mafodotin, CAR-T-Zellen
Mit allein in Deutschland circa 7.000 Neuerkrankungen pro Jahr stellt das MM die zweithäufigste hämatologische Neoplasie dar. In den letzten zehn Jahren hat sich die Therapielandschaft durchgreifend gewandelt. So haben neben monoklonalen Antikörpern auch bispezifische Varianten und CAR-T-Zellen Einzug gehalten. Hierunter weisen die Patienten ein längeres Gesamtüberleben (OS) bei gleichzeitig deutlich verbesserter Lebensqualität auf. Klinisch relevante Studiendaten wurden im Juni 2024 bei den Jahrestagungen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago, IL/USA, und der European Hematology Association (EHA) in Madrid, Spanien, präsentiert.
Vierfachtherapie in Erstlinie
In den vergangenen Jahren haben sich Vierfachtherapien aufgrund ihrer überzeugenden Wirksamkeit und eines Vorteils im progressionsfreien Überleben (PFS) als Standard bei Patienten in gutem Allgemeinzustand etabliert. Im deutschsprachigen Raum ist hier unter anderem die Kombination aus dem CD38-Antikörper Daratumumab plus ein Triple-Therapie-Rückgrat aus Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason (DaraVTd) auf der Grundlage der CASSIOPEIA-Studie zugelassen [1].
In der Phase-III-Studie PERSEUS untersuchte man nun bei 709 Patienten die Kombination von Daratumumab, Bortezomib und Dexamethason mit Lenalidomid 25 mg (DaraVRd) statt Thalidomid über sechs Zyklen bei fitten, zuvor nicht therapierten Patienten. Im Anschluss erfolgte eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie (10–15 mg/d); die Daratumumab-Kohorte erhielt zusätzlich Daratumumab subkutan alle vier Wochen. Im medianen 4-Jahres-Follow-up, präsentiert bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) im Dezember 2023 [2], war das Risiko für eine Krankheitsprogression oder Tod in der Daratumumab-Gruppe deutlich reduziert im Vergleich zur Gruppe ohne Daratumumab-Gabe (Hazard Ratio [HR] 0,42; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,30–0,59; p < 0,001): Die Rate für das progressionsfreie Überleben (PFS) lag bei 84,3 % unter DaraVRd versus 67,7 % unter VRd.
Im sehr jungen Kollektiv (alle < 70 Jahre) zeigte sich – wie bereits aus anderen Studien bekannt – eine erhöhte Rate an schweren Nebenwirkungen unter der Hinzunahme von Daratumumab (57 vs. 49 %); vor allem Pneumonien waren häufiger. Besonders interessant ist, dass in einer beim ASCO 2024 vorgestellten Analyse der PERSEUS-Studie eine über mindestens ein Jahr erhaltene Negativität der minimalen Resterkrankung (MRD) der wichtigste Prädiktor für ein langes PFS war [3]. Die MRD-Negativität (bei Sensitivität von 10-5) wurde zwar von 64,8 % aller Patienten mit Daratumumab, jedoch lediglich von 29,7 % der Patienten ohne Daratumumab erreicht (bei Sensitivität von 10-6: 47,3 vs. 18,6 %).
Hervorzuheben ist, dass sich durch die Hinzunahme von Daratumumab trotz einer gering erhöhten Rate an Nebenwirkungen im fitten Patientenkollektiv ein signifikanter OS-Vorteil ergab, sodass die Therapiekombination mit DaraVRd in der ersten Linie auf Grundlage dieser Daten von der FDA bereits zugelassen wurde (Abb. 1).