Mit über einer Million neuen Fällen und 769.000 Todesfällen im Jahr 2020 zählt das Magenkarzinom weltweit zu den häufigsten Tumorentitäten [1]. Aktuell bleibt die Prognose weiterhin kritisch. Neue Therapiestrategien sowohl bei lokal fortgeschrittenen als auch bei metastasierten Stadien beinhalten Immuntherapien und zielgerichtete Therapien. Diese stellen insbesondere für molekular definierte Subgruppen einen vielversprechenden Ansatz zur Verbesserung der Prognose dar.
Kuratives Setting: lokal fortgeschrittener Magenkrebs
In circa einem Drittel der Fälle wird die Diagnose von Magen-/GEJ-Karzinomen in einem lokal fortgeschrittenen Stadium (≥ T2 und/oder N+) gestellt. Die aktuellen Leitlinien sehen für diese Fälle eine kurative multimodale Therapie vor, bestehend aus einer perioperativen Chemotherapie sowie einer Resektion [2–4]. Die FLOT4-Studie etablierte hierfür FLOT (5-Fluorouracil [5-FU], Folinsäure, Oxaliplatin, Docetaxel) als Therapiestandard und konnte damit in 16 % der Fälle eine pathologisch komplette Remission (pCR) sowie ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 50 Monaten erreichen [5, 6].
Für lokal fortgeschrittene GEJ-Tumoren (≥ T2 und/oder ≥ N1) stellt auch eine neoadjuvante Radiochemotherapie (RCT) nach dem CROSS-Schema (41,4 Gy plus Carboplatin/Paclitaxel) eine Therapieoption nach Leitlinienempfehlungen dar. In der Phase-III-Studie Neo-AEGIS zeigte sich, dass eine perioperative Chemotherapie der neoadjuvanten Radiochemotherapie (RCT) nach CROSS nicht signifikant unterlegen ist [7].
Ösophagus-/GEJ-Karzinom: perioperative Chemo vorteilhaft
Die ESOPEC-Studie vergleicht als erste Head-to-Head-Studie beide Standardtherapien für ösophageale Adenokarzinome: eine perioperative Chemotherapie mit einer FLOT-Behandlung vor und nach der Operation versus einer neoadjuvanten RCT nach dem CROSS-Regime [8]. Erste Ergebnisse sind nun beim ASCO 2024 präsentiert worden [9].
Primärer Endpunkt der Phase-III-Studie war das OS. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem Adenokarzinom des Ösophagus und des GEJ (cT1N+ oder cT2–4a, cN0/+, cM0). Nach einem medianen Follow-up von 55 Monaten zeigte sich in der Studie ein signifikanter Vorteil im medianen OS von 66 Monaten unter FLOT versus 37 Monaten unter dem CROSS-Regime (Hazard Ratio [HR] 0,70; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,53–0,92; p = 0,012). Zudem wurde in der ITT(„intention to treat“)-Population unter der perioperativen Chemotherapie eine 3-Jahres-OS-Rate von 57,4 % erreicht im Vergleich zu 50,7 % in der CROSS-Gruppe. Dieser Vorteil war für alle Subgruppen vorhanden, allerdings mit einem besonderen Effekt bei Tumoren im Stadium 3–4 (HR 0,70) und bei nodalpositiven Tumoren (HR 0,68).
Die 3-Jahres-PFS-Rate in der ITT-Population war ebenfalls signifikant im FLOT-Arm verbessert (51,6 vs. 35,0 %; HR 0,66; p = 0,001). Auch die Rate kompletter pathologischer Remissionen, definiert als ypT0, ypN0, war mit 16,8 % unter FLOT gegenüber 10,0 % unter CROSS klar zugunsten der perioperativen Chemotherapie verbessert.
Ob eine Kombination beider Therapieformen einen zusätzlichen Nutzen bringt, ist die Fragestellung der AIO-RACE-Studie. Verglichen wird der aktuelle Standard einer perioperativen Chemotherapie mit FLOT mit einer Induktionschemotherapie mit zwei Zyklen FLOT, gefolgt von einer Radiochemotherapie (5-FU/Oxaliplatin). Primärer Endpunkt ist das krankheitsfreie Überleben (DFS). Die Rekrutierung wurde kürzlich abgeschlossen.
Neoadjuvantes CROSS-Regime plus Immuntherapie sinnvoll?
Anzumerken ist, dass weder die ESOPEC- noch die RACE-Studie den derzeitigen Therapiestandard einer adjuvanten Immuntherapie mit Nivolumab analog der Daten der CheckMate-577-Studie [10] für Patienten mit postoperativ residueller Tumorerkrankung im Studiendesign berücksichtigt hat.
In der ECOG-ACRIN-EA2174-Studie wird deshalb der Einfluss von Nivolumab zusätzlich zu einer neoadjuvanten Therapie mit CROSS auf die pCR-Rate bei Patienten mit ösophagealem Adenokarzinom im Stadium T1 N1–3 M0 oder T2–3 N0–2 M0 untersucht [11].
In einem zweistufigen Design bekamen die Patienten randomisiert eine neoadjuvante Therapie mit Carboplatin AUC („area under the curve“) 2 und wöchentlich intravenös (i. v.) verabreichtes Paclitaxel (50 mg/m2) fünfmal wöchentlich zusammen mit einer Bestrahlung (41,4–50,4 Gy) entweder ohne (Arm A) oder mit (Arm B) Nivolumab (240 mg i. v.; Woche 1 und 3). Anschließend erfolgte eine Ösophagektomie. Die Patienten wurden daraufhin einer zweiten Randomisierung (Schritt 2) unterzogen: Sie erhielten eine sechs- bis zwölfmonatige adjuvante Nivolumab-Behandlung entweder mit oder ohne zusätzliche Gabe von Ipilimumab für sechs Monate. Für Schritt 1 waren 278 Teilnehmende geplant; 275 Patienten wurden tatsächlich rekrutiert und randomisiert (Arm A mit Nivolumab n = 138; Arm B ohne Nivolumab n = 137).
Beim ASCO 2024 wurden nun die Ergebnisse zum primären neoadjuvanten Endpunkt der ersten Stufe, der pCR-Rate, berichtet. Lediglich 78,5 % der Patienten wurden operiert (in Arm A 76,1 %; in Arm B 81,0 %). Die pCR-Rate in Arm A betrug 21,0 % (95 %-KI 14,5–28,8) und in Arm B 24,8 % (95 %-KI 17,8–32,9), wobei kein statistisch signifikanter Unterschied festgestellt wurde (p = 0,27). Ebenso waren die Raten für chirurgische Komplikationen in den beiden Armen vergleichbar (Arm A = 28,7 %; Arm B = 25,4 %).
Zusammenfassend ließ sich in der Studie keine Verbesserung der pCR-Rate durch die Hinzunahme von Nivolumab zum neoadjuvanten CROSS-Regime bei Patienten mit einem reseziertem Ösophagus-/GEJ-Adenokarzinom nachweisen. Die Ergebnisse des primären adjuvanten Endpunkts krankheitsfreies Überleben aus dem Vergleich von Nivolumab mit der dualen Immuntherapie aus Nivolumab plus Ipilimumab gilt es abzuwarten.
Metastasierte Magen-/GEJ-Karzinome
Limitiert metastasierte Tumoren nach Induktionstherapie operieren?
In einem Drittel der Fälle liegt bereits bei der Erstdiagnose von Magen-/GEJ-Karzinomen eine Fernmetastasierung vor. Das 5-Jahres-Überleben liegt dann bei nur 5 % [12]. Im Falle einer Oligometastasierung sieht die S3-Leitlinie von einer Resektion außerhalb von Studien ab [4]. Die aktuelle ESMO-Leitlinie empfiehlt, eine radikale Resektion in besonders ausgewählten Fällen in Betracht zu ziehen [2].
Die Daten der deutschen AIO-FLOT3-Studie haben allerdings bereits im Jahr 2017 angedeutet, dass limitiert metastasierte Magen-/GEJ-Karzinome gegenüber ausgedehnt metastasierten Karzinomen hinsichtlich des Überlebens von einem multimodalen Vorgehen profitieren könnten [13]. Dies gilt insbesondere für rein lymphogen metastasierte Tumoren. In der Studie wurden 60 % der limitiert metastasierten Magen-/GEJ-Karzinome nach einer vorangegangenen Systemtherapie reseziert. Prospektive randomisierte Daten zur Oligometastasierung fehlen jedoch.
Die ebenfalls in Deutschland initiierte AIO-Folgestudie IKF-575/RENAISSANCE (FLOT5) [14], deren Rekrutierung kürzlich beendet wurde, widmet sich dieser Fragestellung. Die Studienergebnisse hat Prof. Salah-Eddin Al-Batran, Frankfurt am Main, beim ASCO 2024 präsentiert. Verglichen wurde bei limitiert metastasierten Magen-/GEJ-Karzinomen eine Erstlinientherapie nach allgemeinem Therapiestandard (SOC) versus vier Zyklen einer neoadjuvanten Chemotherapie mit FLOT, gefolgt von einer chirurgischen Resektion des Primärtumors und der Metastasen. Die Rekrutierung wurde nach der Aufnahme von 183 Patienten aufgrund der langsamen Rekrutierungsrate gestoppt; 141 Patienten wurden letztlich randomisiert.
20 % der Teilnehmenden hatten ausschließlich retroperitoneale Lymphknotenmetastasen (RPLN), 58 % Organmetastasen, und 22 % wiesen beide Metastasierungsformen auf. In Arm A (ITT) wurde bei 91 % der Patienten ein chirurgischer Eingriff durchgeführt, und die R0-Resektionsrate (primär) betrug 82 %.
Die 30-Tage- und 90-Tage-Sterblichkeit in der chirurgischen Population lag bei 3 beziehungsweise 8 %. Mindestens vier zusätzliche Zyklen einer Chemotherapie nach der Operation oder nach der Randomisierung wurden bei 42 % der Patienten in Arm A gegenüber 71 % der Patienten in Arm B durchgeführt.
Der primäre Endpunkt war das OS in der ITT-Population, der jedoch aufgrund der erhöhten Frühsterblichkeit im Operationsarm nicht erreicht werden konnte. Dies hat zu sich kreuzenden Überlebenskurven nach circa 24 Monaten geführt. Subgruppenanalysen zeigen, dass Patienten mit ausschließlich retroperitonealen Lymphknotenmetastasen am meisten vom chirurgischen Ansatz zu profitieren scheinen (mOS 30 vs. 17 Monate; 3-Jahres-OS 45 vs. 19 %). Hingegen hatten Patienten, die nicht auf die Chemotherapie ansprachen (mOS 13 vs. 22 Monate), oder Patienten mit einer Peritonealkarzinose (mOS 12 vs. 19 Monate) einen nachteiligen Effekt.
Die FLOT-5-Studie demonstriert als erste prospektive Studie zu dieser Fragestellung, dass Patienten mit limitiert metastasierter Erkrankung ein günstiges Überleben haben, das jedoch unabhängig von der chirurgischen Therapie ist.
Künftige Protokolle sollten sich nur auf Patienten mit ausschließlich lymphogener Metastasierung fokussieren und Patienten mit Peritonealkarzinose ausschließen. Die Übersterblichkeit im Chirurgiearm in den ersten zwei Jahren könnte sich durch die insgesamt geringere systemische Therapie im Resektionsarm erklären lassen – diese zeigte sich an der reduzierten Rate postoperativ durchgeführter Chemotherapiezyklen (Zyklus 5 66 % Operation vs. 83 % Chemotherapie), der hohen postoperativen Komplikationsrate von 59 %, der 90-Tage-Sterblichkeit von 8 % sowie der geringeren Anzahl von Folgetherapien (52 % Operation vs. 82 % Chemotherapie).
Es besteht Bedarf an Strategien gegen die frühe Mortalität, die durch die Unterbrechung der Chemotherapie in den Operationsgruppen verursacht wird. Eine Möglichkeit wäre in Analogie zu den Konzepten der totalen neoadjuvanten Therapie (TNT) beim Rektumkarzinom, die gesamte systemische Therapie von acht Zyklen FLOT in der Neoadjuvanz zu verabreichen.
Switch-Maintenance-Therapie mit Paclitaxel und VEGFR-Antikörper
In der metastasierten Situation gilt bei Magen-/GEJ-Karzinomen als therapeutischer Standard eine Erstlinientherapie mit einer Kombination aus einem Platinderivat und einem Fluoropyrimidin (FOLFOX/CAPOX) [2]. Als therapeutischer Standard nach einem Progress unter einer palliativen Erstlinientherapie bei HER2-negativen Tumoren hat sich seit der Phase-III-Studie RAINBOW aus dem Jahr 2014 die Kombination aus Paclitaxel mit dem VEGFR-Antikörper Ramucirumab etabliert [15]. Allerdings wird eine Zweitlinienchemotherapie bei nur circa 40 % der Patienten durchgeführt.
In der italienischen Phase-III-Studie ARMANI wurde kürzlich Ramucirumab plus Paclitaxel als Switch-Maintenance-Therapie untersucht im Vergleich zur Fortsetzung einer Oxaliplatin-basierten Chemotherapie bei Patienten mit einem fortgeschrittenen HER2-negativen Magen-/GEJ-Tumor [16]. Damit hat man die Frage gestellt, ob zukünftig eine vorgezogene Sequenztherapie eine neue Behandlungsoption sein könnte.
Patienten, die nach drei Monaten FOLFOX/CAPOX- haltiger Erstlinientherapie mindestens eine Krankheitsstabilisierung erreicht hatten, erhielten entweder Ramucirumab plus Paclitaxel (n = 144) oder eine Fortführung der Induktionstherapie für weitere drei Monate (n = 136) mit einer anschließenden Fluoropyrimidin-Monotherapie.
Der primäre Endpunkt war das PFS. Nach einem medianen Follow-up von 43,7 Monaten betrug es 6,6 versus 3,5 Monate zugunsten der Switch-Maintenance-Therapie (HR 0,63; 95 %-KI 0,49–0,81; p < 0,001). Ebenso war das mediane OS (sekundärer Endpunkt) im Ramucirumab/Paclitaxel-Arm um 2,2 Monate verlängert (12,6 vs. 10,4 Monate; HR 0,75; 95 %-KI 0,58–0,97; p = 0,030).
Allerdings verdoppelte sich die Häufigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 in der Ramucirumab/Paclitaxel-Gruppe im Vergleich zur FOLFOX/CAPOX-Gruppe (40,4 vs. 20,7 %) – vor allem durch einen Anstieg der Neutropenie-Rate von 9,6 auf 25,5 % und der Hypertonie-Rate von 0,0 auf 6,4 %.
Diese wichtige italienische Studie legt nahe, dass eine Switch-Maintenance-Therapie auf Paclitaxel plus Ramucirumab eine neue Strategie für Patienten sein könnte, die für eine Vorbehandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren nicht infrage kommen.
Die ARMANI-Studie wirft jedoch weitere Fragen auf: Ist eine dreimonatige Induktionstherapie ausreichend? Können die Ergebnisse auch auf die Situation nach einer Immunvorbehandlung übertragen werden, oder würde man hier – in Abhängigkeit von der PD-L1-Expression – eher zu einer Erhaltungstherapie mit Nivolumab mit oder ohne 5-FU neigen? Entscheidend bleibt letztlich, dass möglichst allen Patienten mit gastroösophagealen Adenokarzinomen eine Sequenztherapie angeboten wird.