Die ABC-Konsensusempfehlungen basieren auf den Abstimmungsergebnissen eines international und interdisziplinär zusammengesetzten Panels, das beim ABC7-Konsens aus 46 Experten bestand. Aus Deutschland saßen Prof. Nadia Harbeck, München, und Prof. Volkmar Müller, Hamburg-Eppendorf, sowie die Patientenvertreterin Eva Schumacher-Wulf im Panel. Denn eine Besonderheit des ABC-Konsenses ist, dass dieser in enger Kooperation mit Patientenvertretern aus aller Welt erarbeitet wird.
Schwangerschaft und Brustkrebserkrankung
Da eine hormonelle Kontrazeption unter onkologischer Therapie nicht zuverlässig wirkt und eine ovarielle Funktionssuppression (OFS) keine sichere Kontrazeption bietet, müssen laut ABC7-Konsens Patientinnen im gebärfähigen Alter über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten nichthormoneller kontrazeptiver Maßnahmen aufgeklärt und beraten werden. Dies gilt unabhängig vom Mammakarzinom-Subtyp. Besonders wichtig ist dies bei Patientinnen, die keine OFS beziehungsweise keine ovarielle Ablation (OFA) erhalten.
Heftig diskutiert wurde vor Ort, ob auf Wunsch der Patientin unter bestimmten Bedingungen ein Abbruch der Schwangerschaft ermöglicht werden darf. Eine deutliche Mehrheit (95,3 %) des ABC7-Panels stimmte hier zu. Auch in Deutschland wird dies immer wieder intensiv und auch kontrovers diskutiert. Derzeit ist in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch beim Nachweis einer medizinischen Indikation straffrei möglich.
PROs und Lebensqualität zeitnah erfassen
Um krankheitsbedingte Beschwerden und therapiebedingte Nebenwirkungen (PRO: „patient-reported outcome“) frühzeitig zu erfassen, sollten laut ABC7-Panel evidenzbasierte Messinstrumente eingesetzt werden, die nicht nur in der klinischen Routine, sondern auch für die Patienten einfach zu handhaben sind. Dazu zählen anwenderfreundliche Onlineplattformen, die über Tablets oder Handys zugänglich sind. Ein regelmäßiges und systematisches Monitoring erleichtert laut ABC7-Panel die zeitnahe Kommunikation, sodass Nebenwirkungen schneller erkannt und behandelt werden könnten. Für die Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität empfiehlt der ABC7-Konsens den Einsatz spezifischer Module oder Subskalen zum Beispiel aus den Fragebögen der EORTC (European Organization on Research and Treatment of Cancer).
CDK4/6-Inhibition beim ER+/HER2– ABC
Das ABC7-Panel bestätigte die endokrinbasierte Kombination mit einem CDK4/6-Inhibitor unabhängig vom Menopausenstatus als Erstlinienstandard beim Östrogenrezeptor-positiven/HER2-negativen (ER+/HER2–) ABC. Das gilt laut ABC7-Panel auch für die meisten Frauen mit klinisch aggressiver Erkrankung. Verwiesen wurde hier auf die Daten der RIGHT-Choice-Studie und deren Einschlusskriterien [1]. Bei viszeraler Krise zeigte die endokrinbasierte Therapie in RIGHT Choice [1] eine vergleichbare Wirksamkeit wie die Chemotherapie. Angesichts der insgesamt besseren Verträglichkeit gegenüber der Chemotherapie ist die endokrinbasierte Therapie daher laut ABC7-Konsens möglicherweise auch bei diesen Patientinnen zu bevorzugen. Die endokrine Monotherapie ist laut ABC7-Konsens weiterhin für bestimmte Patientinnen eine akzeptable Alternative. Dazu gehören jene mit geringer Tumorlast oder einem langen krankheitsfreien Intervall (DFI), oder jene, die dies wünschen. Bei Progression unter endokrinbasierter First-Line-Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor lehnte es das ABC7-Panel ab, außerhalb klinischer Studien erneut eine endokrinbasierte Behandlung mit einem CDK4/6-Inhibitor in der Zweitlinie anzuschließen (TbP: „treatment beyond progression“). Die Evidenz hierfür sei nicht ausreichend.
ADCs beim ER+/HER2– ABC
Das anti-TROP2-gerichtete Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Sacituzumab Govitecan (SG) wurde mit Verweis auf die Phase-III-Studie TROPiCS02 [2, 3] als Therapieoption beim stark vorbehandelten ER+/HER2– ABC bestätigt. Dies gilt für HER2-zero- und bei niedriger HER2-Expression (HER2-low). Im Fall einer endokrinen Resistenz empfiehlt das ABC7-Panel jedoch bei einer ER+/HER2-low-Situation T-DXd als bevorzugte Option bei metastasierter Erkrankung mit ein bis zwei vorangegangenen Chemotherapien. Verwiesen wird auf die DestinyBreast(DB)04-Studie [4]. Mit Blick auf die Zulassungsstudien beider ADCs und die daraus resultierende jeweilige Zulassung sollte laut ABC-Panel T-DXd beim ER+/HER2-low-ABC in der Regel zeitlich vor SG eingesetzt werden. Für beide ADCs wird ein proaktives Nebenwirkungsmanagement empfohlen.
Pathologischer Befundbericht
Mit Blick auf die HER2-low-Erkrankung sollte laut ABC7-Konsens im pathologischen Bericht der HER2-Score entsprechend den aktualisierten ASCO/CAP-Empfehlungen von 2023 [5] angegeben und immunhistochemisch zwischen IHC0, IHC1+, IHC2+ (amplifiziert oder nicht) sowie IHC3+ differenziert werden.
ADCs beim triple-negativen ABC
Die Zulassung von T-DXd beim HER2-low-ABC umfasst auch das triple-negative ABC. In der Zulassungsstudie [4] besaßen allerdings nur gut 11 % der Betroffenen einen negativen Hormonrezeptor(HR)-Status. Diese Subgruppe profitierte in einem vergleichbaren Ausmaß von T-DXd wie die Gesamtpopulation, weshalb laut ABC7-Panel T-DXd auch beim triple-negativen HER2-low-ABC ab der zweiten Therapielinie im metastasierten Setting eine Therapieoption ist. Aufgrund der Datenlage empfiehlt das ABC7-Panel hier jedoch, SG vor T-DXd einzusetzen, und aufgrund der kleinen Subgruppe ist die Evidenz für T-DXd beim triple-negativen HER2-low-ABC niedriger als für SG [4, 6].
Ältere Patienten adäquat behandeln
Im ABC7-Konsens wird darauf hingewiesen, auch ältere und alte Patienten in den Therapieentscheidungsprozess einzubinden und ihre Präferenzen zu berücksichtigen. Dazu gehört, sie über klinische Studien zu informieren und ihnen die Teilnahme an Studien anzubieten. Bei älteren Erkrankten entscheiden primär die potenziellen Komorbiditäten und nicht das Lebensalter per se über die Therapiewahl. Bei älteren/alten Patienten empfiehlt der ABC7-Konsens daher ein geriatrisches Assessment. Aus Gründen einer Vorabauswahl sollte initial der G8-Fragebogen eingesetzt werden, an den sich bei niedrigen Score-Werten ein ausführlicheres geriatrisches Assessment anschließen müsse. Da ältere und alte Betroffene häufig mehr Medikamente einnehmen, muss eine besondere Aufmerksamkeit auf potenziellen Medikamenteninteraktionen liegen. Grundsätzlich gilt, körperlich fitte, ältere Patienten nach den gültigen Therapiestandards zu behandeln.
Medizinische Versorgung in Kriegsgebieten
Um angesichts der aktuellen militärischen Konflikte eine bestmögliche onkologische (medizinische) Versorgung in den Kriegsgebieten aufrechtzuerhalten, verabschiedete das ABC7-Panel einige Statements: Wenn möglich, sollten orale Medikamente und Therapieregime eingesetzt werden, die kein aufwendiges routinemäßiges Monitoring erfordern. Zudem sollten die Möglichkeiten der Telemedizin genutzt werden. Eine Herausforderung von maximaler Priorität ist es laut ABC7-Konsens, die Versorgung mit Schmerzmitteln sicherzustellen. Kollegen, die in Krisen- und Kriegsgebieten arbeiten und ihre eigene Person in Gefahr bringen, müssten zusätzlich über Online-Tools und Internetanbindung unterstützt werden.